Ich mag den erhobenen Zeigefinger

admin | Posted 15/04/2007 | Belletristik | Keine Kommentare »

Kevin Vennemann setzt sich mit Kärntner Geschichte auseinander: mit dem Unrecht, das Slowenen hier angetan wurde, und mit ihrem Partisanenkampf am Ende des Zweiten Weltkriegs.

Kevin Vennemann hat die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit zu seinem Hauptanliegen gemacht. War es in seinem Romandebüt “Nahe Jedenew” aus dem Jahr 2005, für das der knapp 30-Jährige hoch gelobt wurde, ein Judenpogrom in Polen, so richtet er in seinem zweiten Roman “Mara Kogoj” nun sein Augenmerk auf einen anderen Aspekt jüngerer Geschichte: den von vielen Slowenen in Südkärnten unterstützten Partisanenkampf gegen NS-Deutschland.

Aus diesem Roman hat Vennemann beim Bachmann-Wettbewerb 2006 vorgelesen. Einen Preis bekam er nicht, aber wieder sehr viel Anerkennung. Andreas Isenschmid etwa attestierte ihm in der “Zeit”, dass er sich “als die explosivste und risikofreudigste Stilpotenz unter den Jüngeren” erwiesen habe. Unmissverständlich deutlich macht Vennemann, wie weit die Slowenen-Frage in die österreichische Geschichte zurückreicht.

Nach dem Zerfall der Monarchie, als es zu einer Volksabstimmung für die Zugehörigkeit Südkärntens zu Österreich kam und aus den Reihen der slowenischen Bevölkerung rund 12.000 Stimmen für Österreich rekrutiert werden konnten, hatte die Landesregierung zugesichert, “dass sie den slowenischen Landsleuten ihre sprachliche und nationale Eigenart jetzt und alle Zeit wahren” werde. Knapp eine Generation später wurden diese slowenischen Landsleute des Landes verwiesen oder in Lager gesteckt und ihre Sprache in der Öffentlichkeit verboten.

Zur gleichen Zeit schlossen sich Slowenen vermehrt den Tito-Partisanen gegen Hitler-Deutschland an. Es ist nicht verwunderlich, dass dieser Konflikt das Interesse eines Autors wie Vennemann weckt, der von sich selbst sagt: “Ich mag den erhobenen Zeigefinger prinzipiell ganz gerne, weil ich mir denke, dass diverse gesellschaftliche Missstände es eher wert sind, erarbeitet zu werden, als persönlich Erlebtes.”

Der erhobene Zeigefinger ist nicht zu übersehen, wenn Vennemann die Protagonisten beider Lager auftreten lässt: Auf der einen Seite Heinrich Pflügler, “angeklagt wegen wiederholter publizistischer Verstöße gegen das NSD-Verbotsgesetz”, und auf der anderen Seite Tone Lebonja und Mara Kogoj, Angehörige eben jener slowenischen Bevölkerungsgruppe, gegen die Pflügler erbittert agitiert. Zwischen diesen Extremen schwenkt die Darstellung hin und her.

Weder Pflügler noch seine Kontrahenten entwickeln Individualität, vielmehr scheint sich ihre Aufgabe darin zu erschöpfen, Sprachrohr ihrer jeweiligen Gruppe zu sein. So nähert sich “Mara Kogoj” über weite Strecken einem politisch-weltanschaulichen Pamphlet, immer wieder faszinierend durch die verblüffende Sprachflüssigkeit des Autors, seinen Wortreichtum und die vollkommene Beherrschung der ideologischen Phraseologie.

Aber nicht zu Unrecht hat Ionescu einmal sinngemäß gesagt: Ideologien trennen uns, Träume und Ängste bringen uns einander näher. So vermissen wir genau jenen Bereich des Privaten, Persönlichen, des unmittelbar Gelebten, der uns erst eigentlich dazu bewegt, die Sache, um die es im Roman geht, zu der unseren zu machen.


Kevin Vennemann
Mara Kogoj


Suhrkamp Verlag

16,80 Eur [D] / 17,30 Eur [A] / 29.70 sFr

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