Witzig, bissig, gut
admin | Posted 15/04/2007 | Uncategorized | Keine Kommentare »
Der eine lässt die Hose runter, die anderen gehen es subtiler an. Treffsicher sind sie aber alle, witzig sowieso: Gleich vier österreichische Kabarettisten und Wortkünstler betreten in diesem Frühjahr die literarische Bühne.
Fellner und Bösel mögen einander nicht. Dabei sind die Welten, die sich zwischen den beiden Helden der Vorstadt auftun, durchaus überschaubar. Als hinterfotzige Restaurantverkoster schikanieren sie die genauso hinterfotzigen Wirte in der Provinz, sind bestechlich und ordinär – bis das Blatt sich plötzlich wendet.
Fellner erkrankt an Krebs. In der Ausnahmesituation finden die beiden zueinander, obwohl ihr emotionaler Horizont knapp nach den Augenlidern endet. Mit
Indien gelang Alfred Dorfer und Josef Hader 1993 ein sensationeller Filmerfolg. Neben vielen anderen Texten kann nun auch die Bühnenfassung von
Indien in Dorfers erstem Buch
Wörtlich nachgelesen werden.
Dorfer schwappte in den achtziger Jahren mit der Gruppe “Schlabarett” – Andrea Händler, Roland Düringer und Peter Wustinger – auf der rauschenden Kabarettwelle ins Bewusstsein derer, die sich in den Kleinkunst-Zuschauerräumen bei Bier und Schmalzbrot nicht nur kräftig auf die Schenkel klopfen, sondern hinter den Witzen und Pointen die politische und gesellschaftliche Wirklichkeit wiedererkennen wollten.
Vielleicht bezeichnet Dorfer gerade deswegen seine Programme nicht als Kabarettabende, sondern als komödiantische Theaterstücke, in denen Figuren auftreten, die wir aus der Wirklichkeit zu kennen glauben. In seinem jüngsten Stück
Fremd etwa finden sich neben einem gewissen Alfred Dorfer auch Lothar Scherpe, Peter Herrmann, und Günther Paal zu launigen Dialogen auf der Bühne ein.
Dorfer ist sein eigener Autor und Darsteller, der sich an den österreichischen Zuständen abarbeitet und von jenen unserer Nachbarn nicht verschont bleibt.
Wörtlich enthält neben den Stücken auch Journalistisches, Kommentare, die der hellsichtige Beobachter in den letzten Jahren in der “Süddeutschen Zeitung”, der “Zeit” oder in “profil” veröffentlicht hat.
Man lässt meinen
Staub haben diese pointierten, kritischen, furiosen Texte nicht angesetzt, ganz im Gegenteil: Sie entlarven ein Stück unmittelbarer Vergangenheit als bisweilen bedrückende Gegenwart und machen deutlich, dass die Zeit zwar vergehen, mitunter aber wenig ändern kann – etwa wenn Dorfer in Jörg Haider lediglich ein Symptom sieht, dessen Verschwinden das eigentliche Problem nicht löst, nämlich die mentale Maulfaulheit in Politik und Bevölkerung, die sich ausdrückt in der “Sehnsucht, lieber meinen zu lassen, als selbst zu meinen”.
Auch sonst wird abgehandelt, was noch frisch im Gedächtnis haftet: die EU-Osterweiterung etwa, die, weil Österreich trotz vielvölkerstaatlicher Vergangenheit seine Angst vor dem “Fremden” nicht ablegen kann, eben keine Ost-, sondern lediglich eine Markterweiterung für die Konzerne des Westens gewesen sei.[pagebreak]
Österreich im Visier
Was für Alfred Dorfer gilt, klingt irgendwie auch nach Erwin Steinhauer. Prüfen wir das einmal nach: politische und gesellschaftliche Wirklichkeit? Gewiss. Österreichische Zustände? Durchaus. Hellsichtiger Beobachter? Sicher. Steinhauer ist freilich nicht nur auf der Kabarettbühne zuhause, sondern wandelt seit mehr als 30 Jahren behände durch Film, Fernsehen und Theater und besticht durch seine Vielseitigkeit.
Den abseitig-geldgierigen Chirurgen aus einer Kabarettnummer nimmt man ihm genauso ab wie den Gendarmen Simon Polt aus Alfred Komareks Krimis. Mitte der siebziger Jahre tourte Steinhauer mit dem Kabarettensemble “Greif” durch Österreich und Deutschland, in den achtziger Jahren spielte er sich mit einer Reihe von Soloprogrammen in die erste Darsteller-Liga.
Dann kamen Burgtheater, Salzburger Festspiele, Volkstheater, Film- und Fernsehproduktionen. Zu erzählen gibt es also jede Menge, Helmuth A. Niederle hat das Leben Steinhauers aufgeschrieben. Er gehört selbst zur gefährdeten Spezies der Aufmerksamen: Niederle ist Vorsitzender des Writers in Prison Committees Austria, übersetzt die Texte von nach Österreich immigrierten Autoren und ist noch dazu ein langjähriger Wegbegleiter des Schauspielers.
Joesi Prokopetz hingegen lässt lieber die Hosen runter – zumindest in seinem neuen Buch. Darin enthüllt er seine Maximen und Ansichten über das “mehrheitsfähige Kabarett”: Wenn man nämlich als komödiantischer Darsteller ein Publikum erreichen will (und von seinem Komödiantentum auch leben möchte), möge man die feine Klinge und die spitze Feder doch zuhause lassen.
Mag sein, dass Prokopetz diese Ansicht auf der Bühne umsetzt, zuhause weiß er doch mit Klinge und Feder umzugehen. Als das Fernsehen noch schwarz-weiß war, stand er als Texter hinter Wolfgang Ambros, der seine Übersetzungen von Liedern Bob Dylans ins Wienerische authentisch vermitteln konnte.
In den achtziger Jahren zauberte Prokopetz seine Figur Alfons Rädl auf die Bühnen, eine Art österreichische Seele, die durchaus mehrheitsfähig ist. Mit seinem neuen Programm “Hose runter!” ist Prokopetz zurzeit auf Tournee. Seinen ganz eigenen Weg geht Karl Ferdinand Kratzl. Er findet seine Form im Vertrackten, Ungewohnten und pfeift in seinem jüngst erschienenen Buch
Fleischfisch. Dialoge, Quadrologe, Sexologe auf die Lesekonventionen, will sagen: verzichtet auf die Wegweisschilder und Warnhinweise, die unseren Leseprozess sonst steuern. Wer Kratzl liest, begibt sich auf eine unsichere Reise, aber wenn man sie einmal absolviert hat, kann man etwas erzählen, und das nicht nur, weil in seinem Buch ohnehin viel gesprochen wird, ohne etwas totzureden. “Besonders nackten Menschen sieht man ihre Kleidung an”, steht auf Seite 111. Eine Punktlandung – wie bei den Kollegen auch.
Alfred Dorfer:
Wörtlich
Satirische Texte
Karl Blessing Verlag
304 Seiten
Helmuth A. Niederle: Erwin Steinhauer. Die Biografie
Molden Verlag
300 Seiten
Joesi Prokopetz:
Hose runter! Enthüllungen eines Kabarettisten
Molden Verlag
170 Seiten
Karl Ferdinand Kratzl:
Fleischfisch. Dialoge, Quadrologe, Sexologe
Ritter Verlag