Liebenswerter Kauz

admin | Posted 01/05/2007 | Krimis | Keine Kommentare »

Angepasst sind sie beide nicht: der gebürtige Aargauer Hansjörg Schneider und sein Kommissär Hunkeler, dem er viel von sich selbst mitgegeben hat.


Hansjörg Schneiders sechster Krimi um Kommissär Hunkeler ist erschienen, die dritte Verfilmung in Arbeit. Und es ist längst nicht genug: Der eigenwillige Ermittler aus Basel macht immer noch Lust auf mehr.

Das neue Jahr fängt nicht gut an für Hunkeler. Statt den Silvesterrausch ausschlafen und mit seiner Freundin in Ruhe in seinem Häuschen im Elsass frühstücken zu können, muss der Kommissär zurück nach Basel und sich um einen Mord kümmern: Ein 80-jähriger Mann ist erst erschossen und dann mit einem Fleischerhaken an seinem Schrebergartenhäuschen aufgehängt worden. Nicht genug, dass es ein schrecklicher Mord an einem alten Mann war.

Zuständig ist auch noch die französische Polizei, und es gibt jede Menge Kompetenzgerangel und Machtspielchen zwischen den französischen und den Schweizer Ermittlern, die notgedrungen immer ein bisschen, aber nie so richtig zusammenarbeiten. Hunkeler hat auf diese Querelen ebenso wenig Lust wie auf langweilige Akten und noch ödere Besprechungen und macht das, was er immer tut: Er ermittelt auf eigene Faust.

Das heisst bei ihm, dass er zu den Menschen geht, die das Mordopfer gekannt haben, er trinkt und isst mit ihnen, er spricht mit ihnen, und vor allem hört er ihnen zu. Es macht nichts, dass es nun schon der sechste Krimi um ihn ist, den Hansjörg Schneider geschrieben hat. Es macht auch nichts, dass zwei von ihnen schon im Fernsehen zu sehen waren, “Das Paar im Kahn” und “Tod einer Ärztin”, beide mit Mathias Gnädinger in der Hauptrolle, und die dritte Verfilmung – “Hunkeler macht Sachen” – in Arbeit ist.

Im Gegenteil: Von diesem kauzigen Typen kann man nicht genug bekommen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil Hunkeler zwar eine Figur unserer Gegenwart, aber nicht so ganz in ihr angekommen ist. Er lebt in seinem eigenen Tempo, lässt sich nicht im Geringsten von der Hektik unserer Zeit, ihrer Informations- und Bilderflut und ihrer Oberflächlichkeit beeinflussen. Vielmehr ist er ein sympathischer Gegenentwurf zu ihr.

Statt etwa in einem Dorf im Emmental einfach und effizient telefonisch Informationen über den erschossenen und erhängten Toten einzuholen, der dort nach dem Zweiten Weltkrieg wie aus dem Nichts aufgetaucht war, dort auch Fuss gefasst hatte, dann aber mit einem Mal wieder von dort verschwunden war, macht Hunkeler sich die Mühe, dorthin zu fahren. Setzt sich in einen Kuhstall und spricht mit einem der früheren Freunde des Toten, schaut ihm beim Melken zu und lässt ihm die Zeit, die er braucht, um sich zu erinnern.

Und bekommt sehr viel mehr heraus, als es am Telefon möglich gewesen wäre. Nebenbei hat Schneider Spass daran, so manche eidgenössische Marotte und bei seinem neuen Fall die spiessig-enge Scheinidylle einer Schrebergartenwelt zwischen Frankreich und der Schweiz durch den Kakao zu ziehen. Und doch nimmt er jede seiner Figuren ernst und interessiert sich für sie. Diese fast schon altmodisch anmutende Haltung, die im wirklichen Leben immer mehr verloren geht, macht seine Geschichten so lesens- und liebenswert.


Hansjörg Schneider


Hunkeler und der Fall Livius


Ammann Verlag


272 Seiten

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