So ein Blödsinn
admin | Posted 29/05/2007 | Biografien | Keine Kommentare »
Zu störrisch, um vergessen zu werden. Dem Münchner Ur-Humoristen Karl Valentin gilt jetzt eine so liebevolle wie detailtreue Biographie.
Eine Geschichte geht so. Der rund neunjährige Karl will mit seinen Kumpels "Sanitätsstation" spielen. Also legen die Strolche Glasscherben auf die grasbewachsenen Wege. Die meist unbeschuhten Kinder - um 1890 war man in Deutschland traditionell arm – werden unweigerlich hineintapsen. Das Geschrei wird groß, doch Karl und seine Bande sind zur Stelle – und haben eine Mordsgaudi beim Verarzten der winselnden Bälger. Ein Kinderstreich, gewiss. Und doch auch ein Grundstein für den "Blödsinn", der Karl Valentin nicht viel später zum berühmtesten Komiker des jungen Deutschland machen sollte.
Die Literaturwissenschaftlerin Monika Dimpfl, wie Valentin gebürtige Münchnerin, hat sich des heute fast vergessenen, aber nichtsdestotrotz verehrten Komikers aus dem Vorort "Au" angenommen und ihm eine beispielhafte Biographie gewidmet. Der Verlag prahlt sogar: "Der einzige Komiker von internationalem Rang, den Deutschland je hatte."
Das ist zu hoch gegriffen, hat sich Valentin doch selbst stets als Münchner Urgestein begriffen, dessen herber wie hinterhäliger Witz sich immer unter dem Schurz der Volkskunst nähren konnte – niemals dörflerisch bayrisch, sondern münchnerisch. Zwar konnte Valentin zur Mitte der 1920er Jahre auch in Berlin Erfolge feiern, zum Ende der "Golden Twenties" lockten ihn sogar die USA. Aber freilich, die Fahrt wär ihm zu lang gewesen. Da blieb er lieber heim. Hier hatte er eine Fangemeinde, die so stur war wie er selbst – und der er auch gerne mal den Marsch geblasen hat, sich selbst und der anderen, der Hinterfotzige: "Ich bin auf Sie angewiesen, aber Sie nicht auf mich, merken Sie sich das!"
Dimpfl bleibt trotz aller Sympathie für den dürren Clown stets auf der Seite der wissenschaftlichen Präzision; ihre Quellen sind belegt. So erfährt der Leser auch die Umstände seines frühzeitigen Todes infolge einer "unbeabsichtigten" Lungenentzündung. Vor allem seine letzten Jahre, in denen er sich mit Besatzungsmacht und Bürgermeistern auseinandersetzen musste, sind spannend zu lesen. Und beklemmend. 1946, im Jahr seines Todes, galt Karl Valentin sind mehr als zeitgemäß. Seine Humoresken aber sind unsterblich.
Monika Dimpfl
Karl Valentin
dtv premium, 320 Seiten, 14,50