Die Jagd nach dem besten Sauerbraten

admin | Posted 21/06/2007 | Uncategorized | Keine Kommentare »

Natürlich liest Tausendsassa Frank Schätzing seinen Krimi “Mordshunger” selbst. Und spielt dazu auch noch Musik.

Wie klingt der Name Frank Schätzing heutzutage? Eher nach: “Oh, wie interessant” oder eher nach: “Ach, der schon wieder”? Entziehen kann man sich ihm jedenfalls
nicht – Schätzing auf allen Kanälen. Sein Welterfolg “Der Schwarm” wird von Hollywood verfilmt, und auch sein jüngster Roman “Mordshunger”, der chronologisch
eigentlich sein erster ist, wird gerade von “Tatort”-Regisseur Robert Pejo verfilmt.

Im März moderierte Schätzing als populärer Ökoexperte die ZDF-Dokufiction “2057 – Unser Leben in der Zukunft”. Es ging um intelligente Kühlschränke, Organzüchtungen und fliegende Autos. Er selbst wird im Jahr 2057 übrigens 100 sein; sicher schreibt er dann immer noch Bestseller. So schnell werden wir den jedenfalls nicht mehr los.

Wenn man den Staubwirbel, den der Kölner Marketingexperte, Autor und Musiker (in dieser Reihenfolge) mit seiner Permanent- Rotation in allen Medien verbreitet, sich setzen lässt, entdeckt der geneigte Leser, Seher, Hörer oder Umweltgrübler allerdings tatsächlich immer wieder ein neues Schätzchen. So auch im vorliegenden Fall, der Hörbuchversion seines Taschenbucherfolgs “Mordshunger”.

Schätzing liest sich fünf Stunden lang durch seinen 2006 upgedateten und remixten Kölnkrimi-Erstling von 1991, spricht alle Rollen selbst – und übertrifft damit die bild- und dialogreiche Romanvorlage in Sachen Witz und Genauigkeit der Personenzeichnung. Die Erzählerstimme ist zwar lakonisch wie ein Stück Dachpappe, die Figuren jedoch stattet der  Starautor auf Rufus Becks Spuren mit stimmlichen Varianten zwischen weiblich gurrend bis professionell näselnd aus, dass es eine Freude ist.

Der möglicherweise literarisch eher dünne, allerdings gut komponierte und konsequent auf Suspense gedrillte Roman gewinnt durch die intime Art der Lesung einiges an Tiefe.

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Zwei Grossgebinde Lokalkolorit

Mit viel Humor und Ironie malt Schätzing die kriminalistischen Überlegenheitsrituale zwischen Kommissar Romanus Cüpper und seinem nicht ganz so schlauen Deputy Rolf Rabenhorst aus, die im Mordfall Inka von Barneck Kapitel um Kapitel im Dunkeln tappen.

War es ihr Ehemann, der Millionär Fritz von Barneck, der ihr die Kehle durchgeschnitten hat? Ihre betrogene Geschäftspartnerin Astrid Hasling? Ihre vernachlässigte Tochter Marion Ried, Raubtierpflegerin im Kölner Zoo? Oder hat gar ein  ominöser Doppelgänger subtil seine Fäden gesponnen, bis schließlich das gesamte Romanpersonal ahnungslos in seinem klebrigen Netz zappelt?

Schätzing verbraucht ungefähr zwei Großgebinde Kölner Lokalkolorit, um seinen Krimi stimmig auszumalen. Vom Gemüsemann an der Neusser Straße bis zur roten Ampel an der Nord-Süd-Fahrt entsteht ein virtuelles Köln, das den Hörer fast zum Falkplan greifen lässt. Und zum Gault Millau erst recht, denn Kommissar Cüpper ist ein fanatischer Hobbykoch, immer auf der Suche nach neuen Rezepten – und dem besten Sauerbraten der Stadt.

Keine Frage, dass er auch in den besser kochenden Häusern Kölns zuhause ist und ein Loblied auf Le Moissonnier & Co singt. Hier ist die gepimpte Taschenbuchausgabe allerdings ausführlicher und präsentiert ein gutes Dutzend Kölner Restaurants samt Rezepten, in denen sich Cüpper gern herumtreibt.

Übrigens hat Schätzing mit der Gastro-Affinität seines Kommissars sehr früh Neuland betreten: Die Kochkrimis von Anthony Bourdain und auch literarische Entdeckungen wie Kristian Ditlev Jensen (“Leibspeise”, 2006) kamen später, und erst neulich kamen die “Tatort”- Macher endlich einmal auf die Idee, einen Restaurantkritiker tot im Köchemilieu zu präsentieren.


Seelchen mit Atombusen

Da Köln bekanntlich vor Originalen nur so wimmelt, sind auch die Nebenrollen in “Mordshunger” barock besetzt. Der durch nichts zu beeindruckende Gerichtsmediziner Kurt Brauner wird “Königin von Saba” genannt, weil er sich mit Gold behängt und in Kölner Nachtclubs heimlich die Leander gibt, und Millionär von Barnecks Haushälterin Frau Schmitz beschreibt Schätzing als Erbsensuppen kochendes Seelchen mit Atombusen, das auf die Nachricht vom Hinscheiden des Hausherrn in ein nicht enden wollendes mundartliches “Ach, is dat fuurchbaar!” ausbricht.

Schätzing sächselt, Schätzing spricht Hessisch und breites Kölsch, er gibt die alte Xanthippe, den kettenrauchenden Testamentsvollstrecker und das verführerische Luder – ein wahrer Menschenzoo. Sehr gut passt dazu die Idee, die verschiedenen Kapitel mit selbst eingespieltem Chandler-Private-Eye-Blues zu unterlegen: Der nächtliche Barjazz mit leichten Ethnoanleihen schmiegt sich wie ein Teppich unter die immer dichter geknüpfte Handlung.

Unser Fazit: Eher kocht Bocuse mit Maggi, als dass wir uns über einen neuen Schätzing aufregen – wenn er so liebevoll gemacht ist wie dieses Hörbuch.

Frank Schätzing

Mordshunger

Hörbuch Verlag

5 CDs, 350 Minuten

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