“Mildern statt Ausrotten”
admin | Posted 25/06/2007 | Autoren | Keine Kommentare »
Kann man das Herz bilden und schulen? Die Tiefenpsychologin und Autorin Margarete Friebe meint "Ja"! Sie hält regelmäßig Vorträge und gibt in einem Interview Einblick in ihre Visionen…
Interview mit Margarete Friebe
Seite 4: Sie sprechen von Herzensbildung – Kann man davon leben?
Margarete Friebe: Alles, was wir ohne Herzensbildung entwickeln und ausführen, trägt den Keim der Zerstörung in sich. In der heutigen Zeit ist eine umfassende Herzensbildung unumgänglich für Frieden auf der Welt. Die Zeiten des kalten, nur auf Profit ausgerichteten Intellekts und Handelns sind vorbei.
Wie meinen Sie das?
Die Herzensbildung beinhaltet innere Werte wie z.B. Güte, die zu Toleranz, Mitgefühl und auch zum Verzeihenkönnen führt.
Wo diese Werte, die dem Egoismus Grenzen setzen, fehlen, ist die Gefahr eines immer stärker wachsenden Egoismus gegeben, der zu menschenfeindlichen und menschenverachtenden Taten, zu Brutalität und Gewalt prädestiniert ist.
Aber jeder muss doch einen gesunden Egoismus haben, sonst wird er manipuliert, unterdrückt, ausgenutzt und überrollt.
Wer sich manipulieren und ausnutzen lässt, trägt in bedrückender Weise dazu bei, dass der andere dadurch seinen Egoismus stärken konnte.
Zu einem gesunden Egoismus gehört tatsächlich, dass ein jeder für sich selber sorgt, um die Lebensbasis zu haben, die ihm eine relative innere Zufriedenheit gibt. Diese Zufriedenheit sollte jedoch u. a. als Grundlage dienen, um einerseits auch anderen zu helfen und andererseits, um sich für eine erstrebenswerte Weiterbildung einsetzen zu können, die sowohl eine intellektuelle und fachspezifische sein kann, aber vor allem auch eine innere Herzensbildung. Diese ganzheitliche Bildung erzeugt eine starke Persönlichkeit, deren Stärke nicht im unterdrückenden, gewalttätigen Egoismus besteht, sondern auch im Ausdruck von Wohlwollen und Güte.
Glauben Sie wirklich, dass man mit Wohlwollen und Güte z.B. auch Wirtschaftswachstum, Ordnung, Einsatzbereitschaft etc. erreichen kann? Und hat Wohlwollen die Macht, sich – wenn nötig – auch durchzusetzen oder gar Terror und Gewalt zu verhindern?
Man darf ja Wohlwollen und Güte im Sinne von Herzensbildung nicht verwechseln mit: “wohlwollend allem Negativen seinen Lauf zu lassen…” Dieses würde der Herzensbildung konträr entgegenstehen, denn es drückt ein Desinteresse am Wohlergehen anderer aus. Und gerade dieses Desinteresse wird heute oft praktiziert, so dass dadurch viel Leid entstehen konnte. Innere Werte, die durch Herzensgüte zum Ausdruck kommen, bergen ein enormes förderndes Potential in sich.Wo diese Werte fehlen, können dramatische Situationen entstehen.
Worin zeigt sich dieses Drama?
In Kürze skizziert: Egoistische Verhaltensweisen erzeugen im anderen Abwehrmechanismen, zwischenmenschliche Schwierigkeiten, Aversionen bis zum Hass, der Gewalt hervorbingt, unterdrücken eine das Unternehmen fördernde Kreativität, vergiften das Betriebsklima, tragen zur psychischen und physischen Krankheitsneigung bei usw.
Es kommen hier wieder zerstörende Aspekte, Leid und Abbau zum Vorschein, wohl nicht immer kurzfristig, jedoch in jedem Fall langfristig. Eine sehr schlechte Investition!
Was ist Ihrer Meinung nach die bessere Investition, wie sollte sie aussehen?
Eine erfreuliche Früchte bringende Investition ist eindeutig eine umfassende Herzensbildung auf der Basis eines tiefgreifenden Wissens. Denn eine Verhaltensweise, die Herzensbildung ausdrückt, ist ein Garant für einen erfreulichen Fortschritt auf allen Ebenen. Es werden im anderen sogar brachliegende Energien und positive Eigenschaften geweckt, die ihm selbst wie anderen und dem Ganzen zugute kommen. Dadurch wird man Terror nicht einfach ausrotten können, aber man kann mildern und vor allem vorbeugen.
Wo sollte man primär mit Präventivmassnahmen gegen Gewalt beginnen?
Ich denke, vor allem in der Kindererziehung, parallell dazu auch in der Erwachsenenbildung.
Es gibt ja auch den Terror bereits im kleinen Rahmen der Familie. Oft höre ich Eltern sagen: ”Unser Kind terrorisiert uns…” Nun, wahre Herzensbildung beinhaltet die eindeutige Sehnsucht, sich auch in der Erziehung für das innere geistig-seelische Wohl des Kindes einzusetzen. Und dies bedingt u.a.: eine liebevoll-autoritäre Erziehung, die durch eine entsprechende notwendige Bildung der Eltern möglich ist. Wer klare Grenzen setzen kann und die Einhaltung fordert, fördert im Kind u.a. Disziplin und damit einen wachsenden starken Willen, der hilft, sich im späteren Leben auch selbst Grenzen setzen und einhalten zu können. Das höchste Kapital, das wir Kindern für das Leben mitgeben können, ist eine Herzensbildung, die einen inneren Reichtum bewirkt, der hohe Zinsen, auch zum Wohle anderer und damit eine erfreuliche Lebensqualität bringt. Und dem Terror und der Gewalt vorbeugt!
Trotzdem muss ich nochmals darauf zurückkommen: Wird nicht Wohlwollen und Herzensgüte oftmals auch als Schwäche ausgelegt?
Ich spreche hier nicht von “wohlwollenden Trotteln”, die sich in jede Ecke stellen lassen oder sogar aus lauter Wohlwollen Handlanger für krumme Dinge sind. Auch meine ich nicht Wohlwollende, die durch ihr Helfersyndrom sich bis zur Erschöpfung bringen können und mitunter sogar etwas unangenehm bedrückend wirken, und viele mögen nicht protestieren, weil es ja so wohlwollend gemeint ist…
Nein, ich spreche von Güte und Wohlwollen, die durch eine systematische Herzensbildung im Menschen gewachsen sind und die ein umfasssendes Wissen voraussetzt, das zu einer tiefen Selbsterkenntnis und damit zur inneren geistigen Würde führt, die ein positives Selbstbewusstsein stärkt. Diese tiefgreifende Herzensbildung bewirkt eine starke Persönlichkeit, die selbstbestimmend, in innerer Freiheit und Unabhängigkeit von manipulierenden Faktoren, eigenverantwortlich denken und handeln kann und somit zum Frieden beiträgt.
Meinen Sie tatsächlich, dass man durch Herzensbildung zum Frieden gelangt?
Durch eine systematische in der Erziehung und Schulbildung ausgeführte Herzensbildung, die mitmenschlich-ethische Werte der Rücksichtnahme und weitere höhere Ideale lehrt, können wir evolutionäre Veränderungen im Sinne des Friedens erreichen. Ich spreche hier also von einem erstrebenswerten Bewusstseinswandel des Einzelnen zum friedvoll-brüderlichen Denken, das zum Handeln motiviert. Denn wer ohne Herz forscht, entwickelt, ausführt, managed, sät unendliches Leid! Und wir benötigen einen milliardenschweren finanziellen Aufwand, um nur ein wenig das Leid zu mildern. Effizienz ist gefragt! Wie effizient ist unser heutiges Wirken…? Zerstörung oder Frieden entstehen zuerst in der Seele des Einzelnen durch sein Denken, das auch zum Fühlen wird und letztlich zum Handeln führt. So kann ich sagen: Der Frieden in der eigenen Seele ist der Baustein zum Weltfrieden.
Besten Dank für das Gespräch.
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Margarete Friebe, Tiefenpsychologin, ist seit 1956 forschend auf dem Gebiet der östlichen und westlichen Philosophie sowie der Tiefenpsychologie tätig. Seit 1973 führt sie eine umfangreiche internationale Lehrtätigkeit in Mitteleuropa aus, vornehmlich in der Schweiz sowohl für das Management als auch für Privatpersonen und für Kinder. Spezielle Seminare leitet sie für Mediziner. Sie ist Inhaberin des Alpha-Instituts in Adligenswil-Luzern/Schweiz. Auf der Basis ihrer langjährigen Forschungsarbeiten hat sie ein geistiges Training mit umfassenden Einsatzmöglichkeiten im Alltag entwickelt: das ”Alpha-Training®”. Sie ist Autorin und schreibt Artikel in verschiedenen Zeitschriften. Darüber hinaus hat Margarete Friebe die Friedensstiftung INTERNATIONAL WHITE CROSS® gegründet mit dem Thema Herzensbildung zum Weltfrieden.