Gegen das Vergessen schreiben

admin | Posted 30/07/2007 | Autoren | Keine Kommentare »

Der spanische Schriftsteller Jorge Semprún wurde
gestern in Salzburg mit dem Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur
ausgezeichnet.

"Ich wurde aus der Kommunistischen Partei
ausgeschlossen, weil ich von der Parteilinie abgewichen bin", erinnerte
sich der 83-jährige Jorge Semprún gestern bei der Preisverleihung. "Kurz
danach wurde ich in Salzburg mit dem ‘Prix formentor’ für mein Erstlingswerk
‘Die große Reise’ ausgezeichnet. Was könnte es also für mich Schöneres geben,
als in dieser Stadt, der Stadt des großen Aufklärers Mozart, für mein
Lebenswerk ausgezeichnet zu werden."

In "Die große Reise" setzt sich Semprun mit den
traumatischen Ereignissen in Buchenwald auseinander. Semprúns Selbstverständnis
als Bewahrer des Wissens und als Gedächtnis aus den politischen Brennpunkten
des 20. Jahrhunderts sollten fortan sein Werk prägen. Semprún beschäftigt sich
nicht nur mit dem Faschismus, sondern auch mit den kommunistischen Gulags und
kämpfte dennoch gegen eine historische Gleichstellung von Nationalsozialismus und
Kommunismus. Als Kulturminister in der Regierung von Felipe Gonzales (1988 bis
1991) sprach er vom "gerechten Golfkrieg" und kritisierte die
europäische Linke.

"Erst leben, dann schreiben", so Sigrid Löffler in
ihrer Laudatio, "den Tod der Sprachlosigkeit überwinden und gegen das
Vergessen schreiben, das ist es, was das Werk Semprúns zur Weltliteratur gemacht
hat. Glaubhaft, weil Semprún alle seine Irrtümer mit Haltung korrigiert und
sich selbst dennoch immer treu geblieben ist."

Jorge Semprún y Maura wurde am 10. Dezember 1923 in Madrid
geboren und wuchs mit sechs Geschwistern in großbürgerlicher, linksliberaler
Familie auf. Während des Spanischen Bürgerkriegs floh die Familie am 23.
September 1936 nach Frankreich. Er studierte an der Sorbonne Literatur und
Philosophie, über die Schriften von Hegel und Lukács fand der früh mit der deutschen
Sprache vertraute Semprún zum Marxismus. 1941 schloss er sich der
kommunistischen Résistance-Organisation Francs-Tireurs et Partisans an und trat
1942 in die KP Spaniens ein. 1943 von der deutschen Gestapo verhaftet, wurde er
in das KZ Buchenwald deportiert. Weil die illegale Lagerleitung der KPD ihn,
der sich an internen Widerstandsaktionen beteiligte, in der so genannten
Arbeitsstatistik beschäftigte, entging Semprún der Ermordung. 1945 kehrte er
nach Paris zurück.

Das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur vergibt
alljährlich den Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur. Der mit
22.000 Euro dotierte Preis wird für das literarische Gesamtwerk einer
europäischen Autorin bzw. eines europäischen Autors verliehen, das
international besondere Beachtung gefunden hat, was durch Übersetzungen
dokumentiert sein muss. Das Werk muss auch in deutschsprachiger Übersetzung
vorliegen. Frühere Preisträger sind u. a. Vaclav Havel, Eugène Ionesco,
Friedrich Dürrenmatt, Christa Wolf, Milan Kundera, Marguerite Duras, Umberto
Eco und Claudio Magris.

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