Thomas Mann – Vorkämpfer für ein vereintes Europa
admin | Posted 17/07/2007 | Autoren | Keine Kommentare »
Als Vorkämpfer der Einheit und der Werte Europas
hat der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier Thomas Mann gewürdigt.
Der Schriftsteller, so Steinmeier anlässlich der Eröffnung des jährlichen
Festivals zu Ehren des deutschen Literaturnobelpreisträgers, habe im Sommerhaus
der Manns im litauischen Nida (Nidden) vor 75 Jahren den Abgrund gesehen, vor
dem Deutschland mit der drohenden Machtergreifung der Nationalsozialisten
gestanden habe.
Enkel Frido Mann berichtete, wie die politische Tragödie das
großväterliche Haus in Nida erreichte. Nach einem öffentlichen Protest gegen
die nationalistische Gewalt im nahen ostpreußischen Königsberg und nach seiner
Denkschrift "Was wir verlangen müssen", habe der Schriftsteller ein
verkohltes Exemplar der "Buddenbrooks" vor der Tür des Sommerhauses
gefunden.
"Das erscheint uns noch heute als ein Vorzeichen der
Bücherverbrennung und der ganzen nazistischen Barbarei," erklärte
Steinmeier. Das Ziel Manns sei es gewesen, die Deutung der Vergangenheit und
deren Wirkung in die Zukunft nicht den "faschistischen Dunkelmännern"
zu überlassen. Nur wer für die Vergangenheit offen sei und Traditionen, Mythen
und Traumata nicht ausblende, habe auch eine offene Zukunft. Die Identität der
Moderne bedeute demnach nicht Ab- oder Ausgrenzung, sondern den
verantwortlichen Umgang mit Vergangenheit.
Die Tragödie des 20. Jahrhunderts habe begonnen, als Politik
und Kultur einander zu Feinden geworden seien, zitierte Steinmeier den in
Budapest geborenen Schriftsteller und KZ-Überlebenden Imre Kertesz. Gerade
Deutsche sollten sich in Erinnerung rufen, dass Thomas Mann nach dem Krieg von
Teilen der deutschen Öffentlichkeit als Emigrant argwöhnisch beäugt worden sei.
Auch in Deutschland und nicht nur in den USA sei er als Sympathisant der
Kommunisten beschimpft worden. Und niemand in Deutschland habe daran gedacht,
sich ihm zu Ehren um das Haus in Nida zu kümmern.
Es sei vielmehr der litauische Schriftsteller Antanas
Venclova gewesen, der Mann in dessen Todesjahr 1955 in Weimar getroffen und ihn
auf dessen Haus in Nida angesprochen habe, sagte Steinmeier weiter. Venclova
habe bei den Behörden auch die Sicherung des Hauses durchgesetzt. Steinmeier
dankte allen, die "sich über mehr als 50 Jahre und trotz der schrecklichen
Erfahrung von Krieg, Not und Leid um dieses kulturelle Erbe verdient
gemacht" hätten. Mann hatte sch indem Sommerhaus von 1930 bis 1932 einige
Male vor seiner Emigration aufgehalten.
Das Thomas-Mann-Festival nahe der Grenze zum russischen Gebiet
Kaliningrad (Königsberg) findet jährlich seit 1996 statt. Über mehrere Tage
werden Kulturforen mit Lesungen und Musik sowie Diskussionssymposien veranstaltet.
Frido Mann nimmt regelmäßig an den Festivals teil. In die Veranstaltungen
werden Kirche, Leuchtturm und Dünenlandschaft als Kunstforen einbezogen. Dort
befindet sich auch die mit 60 Metern höchste Ostseedüne. Steinmeier hatte zuvor
Estland und Lettland besucht. Er ist der erste deutsche Außenminister seit 17
Jahren, der das Baltikum wieder besuchte. (APA/AP)