Literatur fürs Leben
admin | Posted 29/08/2007 | Preise und Events | Keine Kommentare »
Buenos Aires ist eine Stadt, in der Literatur gelebt wurde. Das zeigt Ricardo Piglia in seinen Essays.
Ist Buenos Aires ein literarischer Kontinent? Ein El Dorado für gestrandete Europäer? Ein babylonisches Sprachgewirr, dem gewichtige Beiträge zur Weltliteratur entstammen?
Nun bietet sich allen Nichthispanisten ein kluger Führer durch die verschlungenen Literatur-Pfade der Stadt am Rio de la Plata an – der 1940 geborene Argentinier Ricardo Piglia. Er lehrt Literatur in Buenos Aires und an der Princeton University im US-Bundesstaat New Jersey, zudem ist er angesehener, produktiver und mittlerweile auch ins Deutsche übersetzter Romancier (“Falscher Name”, “Brennender Zaster”) und ein intimer Kenner von Buenos Aires, wo er seit vielen Jahrzehnten lebt.
Auch als Essayist und Theoretiker bleibt Piglia stets Erzähler und schweift nicht in Abstraktes ab. Seine autobiographischen Skizzen und poetologischen Überlegungen, die Splitter aus dem Leben herausragender und einzelgängerischer Außenseiter-Autoren wie Macedonio Fernández, Roberto Arlt oder Witold Gombrowicz, der Pole lebte 30 Jahre in Argenintien, sowie Gedankenblitze über die Art, in der sie und ihre europäischen Vorbilder und Zeitgenossen schrieben, dichteten, übersetzten und einander um-dichteten, summieren sich zu einem klugen Blick auf eine literarische Szene.
Vor allem vieles und viel Erhellendes erfährt man über jene Schriftsteller, die auf das Werk von Jorge Luis Borges wirkten, wohl der bedeutendste und gebildetste argentinische Dichter des 20. Jahrhunderts. Wie auch über das Verhältnis von Literatur und Psychoanalyse.
Die zwei letzten Sätze dieses schmalen, wie aus dem Berenberg Verlag gewohnt sehr ansprechend gestalteten und von Elke Wehr präzis übersetzten und mit Anmerkungen versehenen Bandes gelten aber auch für Piglia und seine überraschungsreichen Essays. Da schreibt er nämlich: “Überraschungen, Epiphanien, Visionen. In der stets erneuerten Erfahrung dieser Enthüllung, welche die Form ist, hat die Literatur uns, wie immer, viel über das Leben zu lehren.” Und genau das macht Piglia hier.
Das Buch:
Ricardo Piglia: Kurzformen. Babylon, Borges, Buenos Aires. Berenberg Verlag