Erstickendes Schweigen

admin | Posted 24/09/2007 | Krimis | Keine Kommentare »

Jan Costin Wagner (Foto: David Biene)

Der neue Kriminalroman Jan Costin Wagners ist einer der besten dieser Saison.

Turku, Finnland. Es ist das Jahr 1974. Ein Mädchen verschwindet. Am Rand eines Feldes findet man ihr Fahrrad und Blutspuren. Erst viele Wochen später wird ihre Leiche, missbraucht und erwürgt, in einem See gefunden. Den Täter fasst man nie.

33 Jahre später geht Antsi Ketola, der einst mit der Ermittlung betraute Kommissar, in Pension. Den Mord an der jungen Pia hat er nie vergessen können. Und ausgerechnet an seinem letzten Arbeitstag im Januar juckt und quält ihn die Erinnerung besonders stark. So stark, dass er in einem Asservatenlager das einst zur Rekonstruktion gedachte Holzmodell des Tatortes findet und mit nach Hause nimmt.

Einige Monate später findet man an derselben Stelle, seit vielen Jahren markiert durch ein Kreuz, wieder ein Fahrrad, wieder die Kleider eines jungen Mädchens und erneut Blutspuren.

Ist es der selbe Täter? Ist er von neuem aufgetaucht? Der junge Kommissar Kimmo Joentaa glaubt nicht daran. Er glaubt eigentlich an nichts mehr seit dem Krebstod seiner Frau Sanna, der vor vier Jahren die Folie für Jan Costin Wagners “Eismond” abgab, in dem Joentaa eingeführt wurde.
Schritt für Schritt schleppt sich die Ermittlung dahin, steigert sich die Qual und Verzweiflung der Eltern ins Unermessliche.

Zeitgleich erschüttert der zweite Fall einen der 1974 beteilitgten Täter, der mehr ein voyeuristischer Mitläufer war, zutiefst in seiner bürgerlichen Existenz. Was er über die Jahre lange verleugnet hat – seine perversen sexuellen Neigungen auszuleben und einen Mord, den er nie meldete -, holt ihn nun ein. Bringt ihn bis an den Rand des Wahnsinns.

Noch fürs Finale hält der 1972 geborene Jan Costin Wagner eine Überraschung in der Hinterhand, was seinen Roman in düster bedrückender und doch klar geschilderter Atmosphäre ausschwingen lässt.

Mit diesem ungemein intelligent konstruierten, auch zutiefst menschlichen Kriminalroman, seinem vierten Buch – und auch eine Studie über Erinnerung, Schuld und Gefühlen -, etabliert sich der abwechselnd in Hessen und Finnland lebende (und mit einer Finnin verheiratete) Jan Costin Wagner endgültig als einer der talentiertesten Erzähler Deutschlands, der Grauen und eingefrorenen Gefühlen eine feinsinnige Stimme gibt.

Die besten, düstersten und am genauesten gezeichneten skandinavischen Kriminalromane kommen derzeit ohne jeden Zweifel aus Frankfurt am Main. Was Jan Costin Wagner allein schon durch seine hervorragenden Dialoge demonstriert.


Das Buch:

Jan Costin Wagner: Das Schweigen. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2007

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