Wie Brecht sein Ensemble fand

admin | Posted 30/09/2007 | Uncategorized | Keine Kommentare »

Monika Buschey: unaufdringliche Zeit- und TheatergeschichteFoto: Dittrich

Sie kamen vom Tresen und vom Jazz – Monika Buscheys Geschichte, wie sich Brechts Berliner Ensemble fand.


"Siechenbräu" hieß die Gaststätte im sächsisch-anhaltinischen Provinzdorf Köthen, in der Manfred Wekwerth quasi unterm Tresen aufwuchs. Mit Bier sei er getauft worden, erzählt er. Und er hat gerne die Gäste nachgemacht, mit genauem Auge und großen Gesten. Zwar hat sich der Knirps neben der Schauspielerei ebenso für die Mathematik begeistert; als er indes 1951 dem großen Meister Bert Brecht seine Darstellungskunst persönlich zeigen durfte, sagte der zu dem jungen Mann: "(. . .) wenn Sie bei uns lernen wollen, dann bleiben Sie gleich da." Er blieb.



Buscheys Spezialität sind die Geschichten neben der großen Kunst, das Aufspüren der oft verschlungenen kleinen Wege, die nichtsdestotrotz oft zum gewaltigen Werk führen. Das hat sie in zahlreichen Publikationen und Beiträgen fürs Radio bewiesen. Besonders eindrucksvoll zuletzt in "Die Rosen deines Mundes", einem Buch über berühmte Liebespaare, deren fruchtbare Begegnungen nicht selten in berühmte Romane, Musikstücke oder Kunstwerke mündeten.



"Wege zu Brecht" entstand ursprünglich aus einem Gespräch, das Buschey 1993 mit Käthe Reichel geführt hatte, einem der ersten Mitglieder des 1949 gegründeten Berliner Ensembles unter der Ägide des aus Kalifornien heimgekehrten Bert Brecht. Bald schon dämmerte ihr, dass dieses Thema "viel mehr Geschichten" beherbergt, “als für das Radio verwendbar” wären. Über die Jahre verstreut folgten Begegnungen mit weiteren Pionieren des deutschen Nachkriegstheaters, denen gemein war, das "BE" am Schiffbauerdamm geprägt zu haben. Es stand damals freilich im Ostteil der Stadt. Benno Besson, Regine Lutz oder Brecht-Erbin Barbara Brecht-Schall standen Buschey Rede und Antwort – mal mehr oder weniger freimütig, besonders Letztgenannte hat aus ihrer primitiven Abscheu vor Interviews auch gegen Buschey nie einen Hehl gemacht.


 


Entstanden ist ein unaufdringliches Stück Zeit- und Theatergeschichte, das zeigt, aus welch gegensätzlichen Charakteren eines der maßgeblichen deutschen Ensembles geformt worden war. Buschey erzählt stilsicher und flüssig, sie beschreibt die Gesprächsatmosphären ebenso wie die Geschichten, die die Beteiligten nach Ost-Berlin in die Arme des Ideologen und genialischen Dichters trieben. Das sind kleine Geschichten oftmals, manche sehr privat. Und die verdeutlichen ein Klima des Hungers nach Kunst, nach Theater, das viele junge Menschen gerade nach der Nazi-Herrschaft kennzeichnete.



Heute – das zeigt eine kürzlich unternommene Erhebung – wird Brecht kaum noch gelesen. Viele Deutsche können weder ein Stück noch ein Gedicht des Augsburgers nennen. Aber gespielt wird er wie wild. Und nicht wenige Inszenierungen stützen sich auf das Original. Und das Original – das war vor allem das Berliner Ensemble. Ein lesenswertes Buch!

Monika Buschey: Wege zu Brecht, Dittrich, 208 Seiten, 19, 80

Share and Enjoy:
  • Print
  • Digg
  • Sphinn
  • del.icio.us
  • Yahoo! Bookmarks
  • Facebook
  • Mixx
  • Google Bookmarks
  • Blogplay
  • LinkedIn
  • StumbleUpon
  • Twitter
  • RSS

Kommentar verfassen

Connect with Facebook

Leseprobe

Related Posts

  • No Related Post