Der deutsche Donner

admin | Posted 23/10/2007 | Uncategorized | Keine Kommentare »

Rüdiger Safranski: Weg von der Last der MakellosigkeitFoto: Hanser

Hitler ein Romantiker? – In seiner klugen Studie kommt der Philosoph Rüdiger Safranski zu erschreckenden Erkenntnissen.



"Lächelt nicht über den Phantasten, der im Reiche der Erscheinungen dieselbe Revolution erwartet, die im Gebiete des Geistes stattgefunden. Der Gedanke geht der Tat voraus, wie der Blitz dem Donner. Der deutsche Donner ist freilich auch ein Deutscher und ist nicht sehr gelenkig, und kommt etwas langsam herangerollt; aber kommen wird er, und wenn ihr es einst krachen hört, wie es noch niemals in der Weltgeschichte gekracht hat, so wißt: der deutsche Donner hat endlich sein Ziel erreicht . . ."



Wer denkt jetzt nicht an Hitler? Richtig, doch Vorsicht: Mit diesen Worten hat Heinrich Heine 1834 seine französischen Freunde vor einem deutschen "Sonderweg", genährt von den Auswucherungen der heimischen Romantik, gewarnt.



Es ist der große Verdienst des ohnehin verdienten Philosophen und Autoren Rüdiger Safranski, eine spezifisch deutsche Weltsicht, die zwischen 1790 und 1840 den Geist durchgepustet hat, in einen historio-politischen Zusammenhang zu packen und nicht als autonome Epoche zu begreifen.



Natürlich macht der 62-Jährige klar, worum es sich zunächst rein kulturwissenschaftlich handelt, wenn man von Romantik spricht: Eichendorff, Hoffmann, Hölderlin, auch Schlegel und Goethe. Doch er ordnet diese Erscheinung in einen Kontext ein und weist die Wege zu Nietzsche nach, zeigt auch auf, unter welchen Vorbedingungen Charles Baudelaire seine "Blumen des Bösen" niederschrieb. Vor allem sagt er, dass die Romantik als deutsche Geisteshaltung – wenn auch unbewusst – bis heute ihre Blüten treibt. Auch die 68er-Generation sei von ihr keineswegs unberührt gewesen.



Vielleicht hat Novalis in seiner Definition Recht: "Indem ich dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehen, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe, so romantisiere ich es."



Wenn man das so sieht, dann war auch Hitler ein Romantiker. Und so enthebt Safranski, einigen bekannt als Co-Gastgeber Peter Sloterdijks im "Philosophischen Quartett", diesen fast heiligen deutschen Kulturbegriff seiner Makellosigkeit. Ein Buch, das zu intensiver Beschäftigung herausfordert und bei allem Sachwissen überaus leserlich geschrieben ist.



Rüdiger Safranski: Romantik – Eine deutsche Affaire, Hanser, 416 Seiten, 24,90

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