Stopf den Kater erst aus, wenn er tot ist
admin | Posted 20/10/2007 | Ratgeber | Keine Kommentare »
Wo "Knigge" draufsteht, ist nur ganz selten Knigge drin. Roger Köppel liefert den aktuellsten Beweis.
"Darf man seinen geliebten Kater, der altersschwach ist und bald stirbt, einem Tierpräparator zum Ausstopfen bringen, damit man ihn weiterhin streicheln und mit ihm reden kann?" So lautet eine der vielen Fragen, die Köppel unaufgefordert, sinnlos hypothetisch und gestelzt in den Raum stellt, um sie sogleich selbst zu beantworten. "Gewiss, aber natürlich erst, wenn er schön tot ist: Bei lebendigem Leib ausgestopft zu werden, verzeiht einem ein Kätzchen nie!"
Au wei, mein Gott und stöhn. Abgesehen davon, dass ein Kater auch nach seinem Ableben nie zum "Kätzchen" werden kann – was will Köppel, 42-jähriger Chefredakteur der "Weltwoche" und vormaliger Chefredakteur der Tageszeitung "Die Welt", eben der mit seinem Sammelsurium wahlloser Fallbeispiele nur beweisen? Wahrscheinlich am ehesten, dass man unter dem Begriff "Knigge" jeden noch so abseitigen Schwachsinn absondern kann. Denn diese besondere Form der Ratgeber-Literatur feiert Konjunktur.
"Über den Umgang mit Menschen" titelte Freiherr Adolph Franz Friedrich Ludwig Knigge 1788 seinen soziologischen Leitfaden, der umgangssprachlich schnell zum "Knigge" mutierte. Was in den letzten Monaten als "Knigge" auf den Markt geworfen wurde, hat mit seinem Ansatz allerdings nur in den seltensten Fällen zu tun. Bei Köppel ist das leider auch so.
"Darf man seinen Gästen noch normalen Filterkaffee anbieten?" "Darf ein Mann in Begleitung seiner schwangeren Frau die Figur anderer Frauen loben?" "Darf man den Besuch eines Fußballspiels zur Kultur zählen?" Mit Dutzenden Fragen dieses Niveaus ist ein Büchlein schnell vollzuschreiben. Sprachlich flach und mit peinlich banalen Alltagsbeispielen kann Köppel nicht viel Zeit mit der Niederschrift verbracht haben. Und der Leser, das ist das Gute an dieser Überflüssigkeit, ist mit der Lektüre dieses aktuellsten Knigge der Welt, so der Untertitel, auch fix durch. Immerhin.
Roger Köppel: Darf man das wirklich nicht?, Residenz, 144 Seiten, 12,90