Mein Name ist Boks, Martin Boks

admin | Posted 01/11/2007 | Krimis | Keine Kommentare »

Simon de Waal

Ein neuer Kommissar ermittelt in Amsterdam – mit Ecken, Kanten und unkonventionellen Methoden

Wie kommt ein Polizist zum Schreiben? Erst recht zum Schreiben von Kriminalromanen, wenn er doch schon tagsüber genug mit Mord und Totschlag zu tun hat?

Im Fall des 1961 geborenen Simon de Waal, der seit Mitte der achtziger Jahre bei der Amsterdamer Polizei tätig ist, war der Antrieb für ein Buch – das Fernsehen. Anfang der neunziger Jahre wurde er als Konsulent für einen TV-Krimi beigezogen und realisierte, dass ihm das Vergnügen bereitet und das Erzählen liegt.

Nach erfolgreichen Drehbüchern und nebenbei absolvierten Auftritten in einem Lese- und Entertainmentduo sowie zwei hardboiled-Romanen hat er 2006 Martin Boks eingeführt (und diesen Herbst ist in den Niederlanden der zweite Roman um diesen Kommissar erschienen). Und das verspricht durchaus einiges für die Zukunft.

Denn diese Figur hat bereits einige Ecken und geheimnisvolle Kanten. Vor allem aber ist er ein Einzelgänger. Ein erfolgreicher dazu, weil er sich durchaus unkonventioneller Methoden und Tricks bedient.

Er bewohnt ein riesiges, museal eingerichtetes Haus mitten im besten Altstadtviertel Amsterdams, das er nur unter der Voraussetzung, nichts zu verändern und somit dort lebenslanges Wohnrecht zu haben, erbte. Was in der Realität heißt: Er bewohnt zwei kleine Zimmer. Unter dem Dach ist zusätzlich noch die Tochter eines Arbeitskollegen einquartiert, die durch absichtslose Beobachtung zur Lösung des aktuellen Falles beiträgt. Und in der Garage steht Boks’ ganzer Stolz: vier Oldtimer. Mit einem davon, einem schweren Mercedes von 1960, ist er dann auch immer wieder unterwegs. Von Polizeistation zum Tatort und zum Waschsalon plus Imbiss eines marokkanischen Freundes und zurück.

In diesem seinem ersten Fall ist der Tatort eine schmierige, drittklassige Absteige, aus dem eine junge amerikanische Rucksacktouristin nachts ein Zimmer voller Blut gemeldet hat. Der Haken bei der Sache – keine Leiche weit und breit. Weder die Touristin, nach einem Abend im Coffieshop noch immer nicht ganz klar und geschockt, noch der Nachtportier, ein Student, der sanft am Tresen entschlafen war, können Auskunft geben, ob jemand des Nachts kam und ging und dabei zufällig eine Leiche über der Schulter wegtrug. Oder wollen sie nicht?

Eine agoraphobe, aufmerksame Nachbarin hilft Boks dann weiter. Und der Fund eines Autoschlüssels, den die Spurensicherung unter einem Möbel findet. Das Auto führt zum Halter, einem stadtbekannten Drogendealer, dieser dann weiter zu dessen ebenfalls kriminellem Bruder.

Und dann stößt ein Fußgänger einige Tage später in einer dunklen Seitenstraße auf die Leiche des Nachtportiers. Boks schaltet um, vom einfühlsamen Gesprächspartner zum harten Verhörer, der deduktive Schlüsse zieht, die dann noch einen letzten Anstoß benötigen, um die Täter zu überführen.

Das alles ist sehr direkt erzählt, stilistisch schnörkel- und schmucklos und, heute gar nicht mehr so häufig im Kriminalroman zu finden, vor allem stringent und in sich logisch. Und zielt ab auf das Procedere des Polizeialltags, auf eine Schilderung des puren Vorgangs der Ermittlung. Keinerlei sozialkritische oder misanthropisch-melancholische Anflüge wie in skandinavischen Erzeugnissen, kein Ausbreiten grausig psychopathischer Details wie bei bestimmten Genreprodukten aus den USA finden sich bei de Waal. Den Protagonisten Martin Boks zeichnet de Waal mit viel Sympathie, für schnurrige Exzentrik sorgt dessen unordentlicher Vorgesetzter Commissaris Schneider.

Nachdem holländische Kriminalliteratur in den letzten Jahren nicht gerade ins Auge stach und ein Willem van de Wetering, dessen beste Bücher aus den siebziger Jahren stammte, literarisch endgültig verstummt ist, gibt es in Gestalt Simon de Waals berechtigte Hoffnung für die kriminalistischen Niederlande. Auch wenn hie und da einem etwas an der Charakterzeichnung der Figur Martin Boks sehr bekannt vorkommt – die Rolle als einsamer Wolf oder seine sich durch das ganze Buch ziehende Schlaflosigkeit -, auf die Fortführung der Serie um diesen Polizisten kann man gespannt sein.



Das Buch:


Simon de Waal: Keine Leiche im Amsterdam. Ein Fall für Martin Boks. Aus dem Niederländischen von Thomas Hauth. Piper Verlag, 2007

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