Poesie? Wunder!
admin | Posted 14/11/2007 | Belletristik | Keine Kommentare »
Ein Übersetzer/Lyriker
und ein kluger Essayist? Ralph Dutli meistert den Zwiespalt zwischen Nach-Dichten und Nach-Denken
Dem Schweizer, lange in Paris ansässigen und heute in Heidelberg lebenden Übersetzer Ralph Dutli verdankt die deutschsprachige Lesewelt in den letzten 20 Jahren die großartige Neu-Übertragung des Gesamtwerks des 1938 ermordeten russischen Dichters Ossip Mandelstam einschließlich einer profunden Biographie. Sowie auch schöne Übersetzung der großen Dichterun und großen Liebenden Marina Zwetajewa.
Seit einiger Zeit ist der 1954 in Schaffhausen geborene Dutli auch selbst als bemerkenswerter Lyriker wie als kluger und anregender Essayist hervorgetreten. Seine poetologischen wie kritischen Texte liegen nun in teilweise erweiterter, überarbeiteter und annotierter Form erstmals in einem Band versammelt vor.
Dieser ersetzt mindestens eine halbe Bibliothek.
Naheliegenderweise finden sich hier in erster Linie elegant formulierte Aufsätze, die sich mit russischer Literatur beschäftigen, mit Ossip Mandelstam, Marina Zwetajewa, Alexander Puschkin und mit Joseph Brodsky. Aber auch erhellende Betrachtungen über französische – von François Villon bis zum Surrealisten Robert Desnos – und über englischsprachige Autoren sind hier nachzulesen.
“Jede Liebe ist eine Vermutung. Ich habe immer vermutet, dass ich Louize Labé schon ihres Namens wegen liebe.” Wer derart offen und verwegen, so direkt und bezwingend eine Studie über diese nur wenig bekannte französische Renaissancelyrikerin beginnt, der hat so Herz und Hirn der Leserschaft gewonnen.
Eine weitere, reizvolle Note setzt Ralph Dutli mit dem Schlusstext, das er “Der allerärmste Ort” überschrieb und bei dem es sich um ein schein-biographisches Poetik-Kaleidoskop in “50 Stufen” handelt.
Ralph Dutli: “Poesie ist für mich ein Lebensmittel und eine Energiequelle.” Diese Energie ist ansteckend.
Das Buch:
Ralph Dutli: Nichts als Wunder. Essays über Poesie. Ammann Verlag, Zürich 2007