Zu dünn, zu gepantscht
admin | Posted 23/11/2007 | Uncategorized | Keine Kommentare »
Eine Kulturgeschichte der Champagne und des Champagners, die vieles schuldig bleibt
Das amerikanische Journalistenehepaar Don und Petie Kladstrup, die vor allem fürs Fernsehen arbeiten, erzählten vor einigen Jahren in “Wein & Krieg” die kaum bekannte Geschichte der Ausplünderung wertvoller französischer Weinkellereien durch die Nazis. Dieses Buch verkaufte sich blendend.
So war es nur logisch, sich nunmehr die Kulturgeschichte des Schaumweins aus der Champagne vorzunehmen. Bereits zu Anfang liest man, dass es ihnen nicht um “die Kunst der Weinverkostung” geht “oder um die Technik der Champagnerherstellung”, statt dessen um “eine Hommage, vielleicht sogar eine Liebeserklärung”.
Was bei diesem Getränk auf der Hand liegt. War doch für Giacomo Casanova Champagner Teil der “Grundausstattung eines Verführers”. Die Modedesignerin Coco Chanel meinte, sie trinke Champagner nur zu zwei Gelegenheiten: wenn sie verliebt sei – und wenn sie es nicht sei.
Und vom russischen Zar Peter dem Großen wird kolportiert, er habe sich nächtens stets mit vier Bouteillen des französischen Schaumweins in sein Schlafgemach zurückgezogen – später sollte eine Firma wie Roederer 80 Prozent ihres Umsatzes allein (und allein mit zuckersüßem Champagner) mit Russland machen. Oder um es mit Oscar Wilde zu sagen: “Nur phantasielosen Menschen fällt kein Grund ein, Champagner zu trinken.”
Champagner war stets etwas Besonderes. So ließ es sich Winston Churchill nicht nehmen, während des Ersten Weltkriegs seine Kabinettskollegen daran zu erinnern: “Denken Sie daran, Gentlemen, wir kämpfen nicht nur für Frankreich, sondern für den Champagner.”
Was also läge näher, was wäre reizvoller, als eine anregende und wohl informierte Kulturgeschichte dieses anregenden Getränks zu schreiben.
Doch was die Kladstrups vorlegen, enttäuscht.
Bei ihnen geht es im Sauseschritt durch viele Jahrhunderte. Alles ist pittoresk, Entwicklungen werden entzückend naiv verkürzt, Geschehnisse in einem unangestrengten und von Analyse oder historisch-ökonomischen Zusammenhänge gänzlich befreitem Parlando rasch abgetan. Oder zur Anekdote zugespitzt. Dass da auch so manche Jahreszahl falsch angegeben ist, das fällt dann auch nicht mehr verschärfend ins Gewicht.
Um so mehr verwundert, dass so viele interessante Fragen unbeantwortet bleiben. Etwa die: Wieso wanderten im 19. Jahrhundert so viele Rheinländer in die Champagne ein? Und woher erklären sich all diese vielen so unfranzösisch klingenden Besitzer- und Markennamen wie Roederer oder Heidsieck oder Taittinger?
Der Schwerpunkt liegt auf dem Jahrzehnt zwischen 1911 und 1920. Dieser Teil ist auch besonders aussagekräftig illustriert. Die wirtschaftlichen Krisen und Konflikte von 1911, der um Rheims tobende Weltkrieg, die Bombardierung durch die Deutschen und das Überleben zahlloser Menschen untertage, im Labyrinth der Kalksteinkavernen unter den Weinbergen, wird plastisch nachgezeichnet.
Danach wird es wieder munter pointillistisch, hier mal ein Pinselschlag, dort eine mündlich zugetragene, unabgesicherte, teils haltlose Anekdote. Selbst die Jahre 1940 bis 1944, wo man auf Grund des Vorgängerbandes höhere Erwartungen an seriöse Recherche erwartet hätte, werden knapp abgehandelt.
Und nach 1945 gab es, scheint’s, keinerlei Champagnerproduktion mehr.
Im Epilog wird das Geheimnis dieses erzählerischen Ungleichgewichts gelüftet. Ursprünglich, schreiben die Autoren, wollten sie ausschließlich über die Zeit des Ersten Weltkriegs schreiben. Erst ihr Verleger habe sie dazu gebracht, den Fokus zu erweitern. Vielleicht gab es bei diesem Treffen einfach zu viel Champagner zu trinken.
Das Buch:
Don und Petie Kladstrup: Champagner. Die dramatische Geschichte des edelsten aller Getränke. Aus dem Englischen von Dieter Zimmer. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2007