Bis ganz nach oben

admin | Posted 15/03/2008 | Dossier/Akten | Keine Kommentare »

Ken Follett mit seinem neuen Roman "Die Tore der Welt"

Ken Follett gehört zu den erfolgreichsten Autoren unserer Zeit. Sein beliebtestes Buch ist der historische Roman “Die Säulen der Erde”. Nach 17 Jahren ist jetzt die Fortsetzung erschienen – und Seite 4 traf Follett auf Mont St. Michel: einem der Orte, die ihn für “Die Tore der Welt ” inspiriert haben.

Unten auf der kleinen Insel schmiegen sich jahrhundertealte Häuser an den Fels, oben thront die Klosteranlage, und der Kirchturm ragt ordnungsgemäss in den Himmel. 500 Stufen geht es hoch, vom kleinen Dorf bis auf die oberste zugängliche Plattform der Kirche.

Es ist anstrengend, und für die letzten Meter legt Ken Follett seinen schwarzen Wollmantel und den Burberry-Schal ab. Er trägt einen dunkelblauen Blazer, darunter ein Hemd mit Krawatte und eine graue Wollhose. Das ist nicht die passende Kleidung für die enge, steile, uralte Steintreppe.

Für den Fototermin auf Mont St. Michel, dem monumentalen mittelalterlichen Gebäudekomplex im Norden Frankreichs, ist es aber genau das Richtige: Follett ist ein Autor, der mit seinen
Büchern viel Geld verdient hat, darauf ist er stolz, und er zeigt sich gern elegant.

Arrogant ist er nicht. Er ist charmant, lacht viel, macht Witze – und er freut sich immer noch darüber, dass Fans ihn erkennen und ansprechen. Das tun sie auch hier und lassen sich mit ihm und seinen Büchern fotografieren, die im Souvenirshop stapelweise ausliegen.

Die felsige Insel am Ärmelkanal mit ihren mittelalterlichen Klostergebäuden kommt in Folletts neuem Roman nicht vor. Aber sie spielt eine wichtige Rolle für den Mittelalterschmöker “Die Tore der Welt”. “Die Anlage ist für mich sehr interessant, weil das Kloster so gut erhalten ist”, sagt Follett. “Wenn man durch die Räume geht, kann man sich leicht vorstellen, wie in früheren Zeiten Nonnen und Mönche im Refektorium gegessen oder im Skriptorium Bücher kopiert haben.”

Die engen Gassen unten in dem kleinen Ort, der Kreuzgang im Kloster, die riesigen kalten Räume ohne Kamin, die verwitterten Säulen, die hohen Fenster, die engen Steintreppen – “das alles hat mich bei meinen Recherchen inspiriert.” Drei Jahre hat Follett an seinem neuen Buch geschrieben, ebenso lange wie an dem Vorgänger “Die Säulen der Erde”, seinem bisher erfolgreichsten Roman. Allein im deutschsprachigen Raum wurden von diesem Titel 3,8 Millionen Exemplare verkauft. Noch 2004, 14 Jahre nach der Veröffentlichung, kam es bei einer ZDFUmfrage nach den beliebtesten Büchern auf Platz 3, nach der Bibel und Tolkiens damals gerade verfilmtem “Herrn der Ringe”.

Vor und nach den “Säulen der Erde” hat Follett vor allem Thriller geschrieben, insgesamt 20 Titel. Einige von ihnen wurden verfilmt, wie der Spionagethriller “Die Nadel”, mit dem Follett 1978 der Durchbruch als Autor gelang, oder “Der dritte Zwilling”. Die “Säulen” sind dagegen “nur” als Buch zum Welterfolg geworden – und von Anfang an wurde er nach einer Fortsetzung des Romans gefragt, in dem er mit sehr viel Detailwissen und sehr spannend 50 Jahre im 12. Jahrhundert beschreibt: 50 Jahre, die vor allem dem Bau der (fiktiven) Kathedrale von Kingsbridge gewidmet waren.

Aber Follett wollte keine Fortsetzung schreiben. Es war das einzige Mal, dass er sich als Autor müde fühlte, die mehr als 1.000 Seiten hatten ihre Spuren hinterlassen. Ausserdem waren die Hauptfiguren am Ende des Schmökers alt oder tot, und die Kathedrale war gebaut. Was sollte jetzt noch kommen?

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Später hat es ihn dann doch gereizt, einen zweiten Band zu schreiben. Er war sich aber selbst nicht über das Erfolgsrezept seines Romans im Klaren, das er fortsetzen wollte. “Meine Leser machen sich natürlich keine Gedanken darüber, warum sie “Die Säulen der Erde” lieben – sie lieben das Buch, aber sie analysieren das nicht.” Follett dagegen untersucht sehr genau, was bei den Leserinnen und Lesern ankommt und was nicht.

Aus vielen Gesprächen, Briefen und E-Mails ist er zu dem Ergebnis gekommen, dass sie es mögen, sich in das dicke Buch mit seinen vielen Geschichten fallen zu lassen. “Aber es ist natürlich nicht nur die Länge”, sagt er. “Man braucht auch ein Thema, das gross genug ist, so viele Seiten zu füllen.” Das überrascht erst einmal, denn Follett schreibt Unterhaltungsromane, er erzählt von Liebe, Sex und Gewalt, von Gemeinheit, Verrat und Intrigen.

Aber er erzählt eben auch von einem monumentalen Projekt, dem Bau einer Kathedrale, den er mit einem Raumfahrtprojekt vergleicht: “Es beschäftigte die besten wissenschaftlichen Köpfe, es kostete ein Vermögen und endete oft in Misserfolgen.” Dass hinter den Lebens-, Liebes- und Abenteuergeschichten ein bedeutendes Unternehmen steht, sieht Follett als eine der wichtigsten Zutaten seines Erfolgs.

Dass er so lange gebraucht hat, um die “Säulen der Erde” fortzusetzen, lag vor allem daran, dass er nach dem grossen Thema für den neuen Roman gesucht hat. Erst als er sich mit der Pest befasste, die im 14. Jahrhundert in Europa gewütet hat, hatte er ein Themenfeld gefunden, das er dem grossen Projekt Kathedralenbau angemessen fand: dramatische Ereignisse, die zudem einen Wendepunkt in der europäischen Geistesgeschichte bedeuteten.

“Die Seuche tötete mindestens ein Drittel der europäischen Bevölkerung”, erklärt er. “Es war eine der grössten Katastrophen der Menschheit” – aber eine Katastrophe, die weit reichende Veränderungen mit sich brachte, und diese Veränderungen sind es, die Follett interessieren. “Nicht nur den Glauben an die alte Medizin, auch den Glauben an die Kirche haben während der Pestzeit viele Menschen verloren”, sagt Follett.

“Nicht mehr alle meinten, für ihre Beziehung zu Gott die Vermittlung eines Priesters zu brauchen. Das alles, die Veränderung der Medizin und das neue Verhältnis zur Kirche, kann als Beginn des Prozesses angesehen werden, der viele Jahre später in die Aufklärung mündete.” Für Follett war das alles wichtig genug, um 1.400 Seiten darüber zu planen – und zu schreiben.

Der neue Band spielt 200 Jahre nach den “Säulen der Erde” im 14. Jahrhundert und erzählt von den Nachkommen derjenigen, die im ersten Kingsbridge-Buch die Hauptrollen spielten. Es sind neue, ganz andere Geschichten als im ersten Band, und doch ist vieles dem ersten Band sehr genau nachempfunden. Follett hat beim Schreiben immer seine Leserinnen und Leser im Blick, dieses Mal wusste er aber noch genauer als sonst, was sie haben wollen, und das hat er geschrieben.

Wie der erste Band auch ist der zweite trotz der enorm vielen Details keine historische Abhandlung, sondern ein spannender Schmöker. Literaturpreise gibt es für solche Bücher eher nicht, aber um sie geht es Follett auch nicht. Er will gute Unterhaltung schreiben, und das gelingt ihm immer wieder: 100 Millionen verkaufte Bücher weltweit sprechen für sich. Labour-Mitglied Follett geniesst den daraus resultierenden Wohlstand und kokettiert gern mit seinen Luxusautos – nach Mont St. Michel ist er mit seinem Maserati gekommen – und dem Champagner, den er gern trinkt.

Er geniesst – und arbeitet weiter: Auch nach 30 Jahren als Autor hat er die Lust am Schreiben nicht verloren. “Manche Menschen träumen davon, mit dem Arbeiten aufzuhören und von dem Geld zu leben, das sie verdient haben. Aber ich wüsste nicht, was ich dann tun sollte – Kreuzworträtsel lösen? Tennis oder Golf spielen? Das ist ein Leben, das mich überhaupt nicht reizt.

Ich liebe das Schreiben, ich kann es gut, ich unterhalte Millionen Leser – warum sollte ich aufhören?” Dabei schreibt er nicht einfach drauflos, sondern jedes Buch ist akribisch geplant. Follett hat genaue Vorstellungen von der Handlung und vom Umfang des Buchs, und er hat einen Zeitplan. Wenn er in Verzug kommt, arbeitet er auch am Wochenende, um wieder im Soll zu sein.

Mit dem nächsten Projekt hat er schon begonnen: “The Century”, eine Trilogie, deren erster Teil während des Ersten Weltkriegs spielen wird. 49 Millionen Dollar Vorschuss haben seine Agenten dafür ausgehandelt. Aber was ist mit dem Mittelalter? Wird es ein drittes Buch über Kingsbridge geben? “Nicht sofort, ich habe ja gerade drei Jahre im Mittelalter verbracht.

Aber ja: Ich werde bestimmt eine Fortsetzung schreiben – wenn ich lange genug lebe.” Mit diesem Satz im Ohr verabschieden wir uns: “Mr. Follett, bitte fahren Sie vorsichtig!”


Ken Follett: Die Tore der Welt. Aus dem Englischen von Rainer

Schumacher und Dietmar Schmidt. Lübbe, 1.395 Seiten











Hörbuch










Ken Follett: Die Tore der Welt. Gelesen von Joachim Kerzel.










Lübbe Audio











Links











- Interview mit Ken Follett











- Ken Follett’s Webseite











- Ken Follett’s neuer Roman "Die Tore der Welt"

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