Mord in Rheinfelden
admin | Posted 23/03/2008 | Krimis | Keine Kommentare »
Der sechste “Hunkeler ” war der Jahresbestseller 2007 der Schweiz. Jetzt ermittelt der Basler Kommissär in der Kunstszene.
“Ich habe spät mit den Krimis angefangen”, sagt Hansjörg Schneider. “Trotzdem gelte ich jetzt, obwohl ich vorher diverse Romane und Theaterstücke geschrieben habe, als Krimiautor.
Aber mir ist das egal, denn ich schreibe sowieso das, wozu ich Lust habe.” Bornierte Leser seiner Romane und Geschichten werden seine Hinwendung zum Krimi womöglich als Abstieg deuten – als künstlerischen Standesverrat sozusagen.
Tatsächlich aber kommen in den bislang sieben Kriminalromanen des gebürtigen Aarauers Schneider all jene auf ihre Kosten, für die gute Krimis mehr als bloss spannungsgeladene Genrestücke sind.
Seine Hinwendung zum Kriminalroman hat er bislang nicht eine Sekunde bereut. “Denn genau betrachtet ist der Krimi doch nichts anderes als eine Milieustudie. Und mich interessiert eben ein spezielles Basler Milieu.”
Seine Krimis um Kommissär Hunkeler verhandeln das zentrale Thema aller ernsthaften Kunst: die Wechselwirkungen von Schuld und Sühne. “Denken Sie nur an Dostojewski”, ergänzt Schneider, “das ist doch ungeheuer spannend.”
Spannend sind auch Schneiders eigene Arbeiten, bei denen es nicht allein um Kriminalfälle und ihre Aufklärung geht, sondern vor allem um Menschen und die Desaster, in die sie taumeln.
Begonnen hat alles 1993 mit dem Roman “Silberkiesel”, einem Buch, das den klassischen Roman mit dem Genre Krimi verzahnt. Langsam und wie in Zeitlupe rollt das Buch an, bis die Jagd nach Diamanten das Ganze in ein kühl inszeniertes Genrestück dreht – es ist Schneiders erster und auf Anhieb geglückter Versuch, das Medium Krimi in der Tradition von Glauser
und Dürrenmatt neu auf helvetischem Terrain zu beleben.
Und schon bald erwiesen sich die “Hunkeler”- Romane als süchtigmachende Ware: Bücher wie “Flattermann”, “Das Paar im Kahn” oder “Tod einer Ärztin” – und Schneider war unter seinen Lesern rasch zu einer Art Schweizer Simenon avanciert.
Ebenso wie dereinst der grosse Belgier schreibt auch Schneider soziologische, als Kriminalromane getarnte Fallstudien, Bücher, die nicht allein Menschen und ihre Untaten taxieren, sondern sich vielmehr zu Expertisen einer in Schieflage geratenen Gesellschaft weiten.
Auch Schneiders neuester Coup, der Roman “Hunkeler und die goldene Hand”, führt das fort. Hunkeler, den es im Rücken zwickt, hat sich in das Rheinfeldener Solbad Marina einquartiert.
Doch als eines Morgens die Leiche eines schwulen Basler Kunsthändlers im Aussenbecken liegt, ist es aus mit der Solbadruhe. Und als sich obendrein Kunsträuber daran machen, Museen in der Umgebung auszuräumen, gibt es für Hunkeler kein Halten mehr. Er findet eine Spur, die zur goldenen Hand Rudolfs von Rheinfelden führt.
“Ich mag diesen Hunkeler inzwischen sehr”, bekennt der 70-jährige Autor mit Blick auf sein Alter Ego. “Denn er ist ein alter Mann, der die Welt genau wie ich aus alten Augen sieht.” Schneider wird seinem Protagonisten weiter in die Seele und ins Herz blicken.
Mit Büchern, die in der Mitte des Lebens entspringen. Dort, wo Sehnsucht und Desillusion so nah beieinanderliegen wie Tag und Nacht. Wie die Liebe und der Tod. Denn schreiben heisst für Schneider nicht zuletzt, über das Wesen des Menschen nachzudenken. Vor allem als Krimiautor.
“Der bürgerliche Roman”, so Schneider abschliessend, “wird mir immer suspekter. Denn wenn man lange angestrengt so genannte ´Kunst´ produziert hat, ist man froh, wenn man wieder Spass beim Schreiben haben darf.”
Hansjörg Schneider
Hunkeler und die goldene Hand
Ammann Verlag, 256 Seiten