Beruf: Schriftsteller
admin | Posted 22/05/2008 | Preise und Events | Keine Kommentare »
Immer mehr Institute geben Kurse für kreatives und literarisches Schreiben. Entsteht daraus "bessere" Literatur? Können Schriftsteller ausgebildet werden wie Musiker und Plastiker? Kann man den Beruf des Schriftstellers erlernen? Davon ist man in den
Vereinigten Staaten, in Leipzig, Biel und jetzt auch in Zürich
überzeugt. In den USA eigentlich schon seit dem 19. Jahrhundert.
Während das staatlich subventionierte Literaturinstitut in Biel vor einiger Zeit den Betrieb aufnahm, startete Martin Weiss an der Schule für Angewandte Linguistik (SAL) mit dem Lehrgang "Literarisches Schreiben". Fordert Weiss nun zum Duell auf? Diese Frage begegnet er klar mit einem "Nein". Biel und Zürich würden sich ergänzen, nicht konkurrenzieren. Im Jahr 2004 besuchte Martin Weiss den Creative Writing Congress in Leipzig. Auf der Rückfahrt im Zug konnte er sich mit Guy Krneta über Konzepte und Ideen austauschen, einer der Initianten des Bieler Instituts.
Als Journalismus-Dozent erkannte Martin Weiss ein großes Potential an Schriftstellern, Drehbuchautoren, Dramatikern und Lektoren in der Schweiz. Dieses musste angezapft und gefördert werden.
Am Bielersee dauert der zweisprachige Lehrgang drei Jahre, am Zürichsee zwei und dies auch nur in Deutsch. Allerdings bietet die SAL flankierende Zusatzfächer aus den Bereichen Literaturgeschichte, Rhetorik, Philosophie und journalistische Techniken. Zudem konnte die SAL Autorinnen und Autoren als Lehrkräfte gewonnen werden, die sich bereits einen Namen machten: Urs Allemann, Michael Stauffer, Hugo Loetscher, Dominik Bernet, Tania Kummer, Sabina Altermatt und Ernst Solèr.
Dafür und dagegen
Noch immer ist keine einhellige Meinung in der Literaturszene auszumachen, die sich für den Sinn einer Ausbildung zum Schriftsteller ausspräche. Gewisse Tendenzen aus den Vereinigten Staaten mit Starautoren aus entsprechenden Schulen, die besonders gefördert werden und Promotion von Verlagen und Presse genießen, lassen befürchten, dass Talente, ja Genies, die untauglich für disziplinierte Schulbetriebe sind, keine Chance mehr bekämen. Die Aufzucht einer Textkultur, die dem zahlungsfreudigen Massenpublikum entspricht, läge da schon auf der Hand. Schulbetreiber und Dozenten werden dies heftig in Abrede stellen und auf die grundsätzlichen Handfertigkeiten verweisen, die ja in jeder Kunstform erlernt werden müssten, wie beispielsweise im Journalismus, Musik oder Tanz.
Anlässlich der Buchmesse Basel meinte der Verleger Egon Ammann, dass Literatur im bunten Leben enstünde, in der Kneipe und auf der Straße, nicht in der Schulbank. Dirk Vaihinger vom Verlag Nagel & Kimche konnte dieser Aussage nur teilweise zustimmen, da dazu durchaus ein handwerkliches Geschick gehöre, das schulisch vermittelt werden könne. Die unter anderem durch einen FAZ-Artikel der Schweizerin Pia Reinacher lancierte Diskussion über die mangelnde Qualität der zeitgenössischen Schweizer Literatur lässt die Frage zu, ob die neuen Literarischen Schulen in Biel und Zürich einen Gegenwind erzeugen können. Vorausgesetzt natürlich, dass sie mit der Meinung von Frau Reinacher einverstanden sind. Denn erstens ist es schwierig, eine erwünschte Qualitiät zu definieren und zweitens wäre auch die Diskussion zulässig, inwiefern sich zurzeit Verlegerinnen und Verleger auf dünnes Eis mit Neuentdeckungen wagen – ohne den schielenden Blick auf Quote und Absatz. Womit wir wieder bei der Frage angelangt sind, ob die Kunst vor dem Markt war oder umgekehrt.
Urs Heinz Aerni