Bis zum Horizont und noch weiter

admin | Posted 19/06/2008 | Dossier/Akten | Keine Kommentare »

Rüdiger Barth

Die Seele baumeln lassen, sich selbst und die Welt entdecken – die Autoren neuer Reisebücher haben sich diesen Traum erfüllt.

Ihre Geschichten sind für alle, die vom Ausstieg schon mal kosten wollen.

JULES VERNE IM HANDGEPÄCK

Den Traum vom Reisen erfüllt sich Helge Timmerberg schon seit Langem, nun auch den, Jules Vernes Phileas Fogg zu folgen: in 80 Tagen um die Welt mit dem Buchklassiker im Handgepäck.

Aber es wäre nicht Timmerberg, wenn es nicht Anpassungen bei der Reiseroute
gäbe. Auf den Rücken eines Elefanten will er nicht, Schiffspassagen sind nicht sein Ding, und nach Singapur will er auch nicht. Aber er ist immerhin losgezogen, anders als sein verehrter Kollege.

Zu meckern gab es dabei eine Menge, über rauchfreie Züge, mafiöse
Taxifahrer in Athen und kitschige Reiseromantik. Ein echter Timmerberg: witzig, frech, respektlos. Dabei flaniert er aber mit offenen Augen um die Welt, hat Sinn für ihre Schönheiten und unterhält seine Leser bestens.


LUST AUF FREIHEIT

Normalerweise sitzt Rüdiger Barth: am Schreibtisch oder im Stadion. Nachdem neben dem Sportreporter des “stern” auf der Straße eine alte Frau einfach umgefallen war, machte er sich aber klar, dass der Rest vom Leben längst begonnen hat und es höchste Zeit ist, einmal aus dem Alltag auszusteigen und loszuziehen – in 120 Tagen um die Welt, zusammen mit seiner Frau.

Große Abenteuer haben die beiden nicht erlebt. Aber Barth weckt mit seinen witzigen, nachdenklichen und nachdenklich stimmenden Impressionen die Sehnsucht zum Aufbruch und nach einer Freiheit, die im Alltag nicht möglich ist.


LEINEN LOS FÜR DEN LUXUSLINER

Barths Reise war nicht gerade Pilgern für Arme – 4.000 Euro pro Person hat allein das Flugticket gekostet. Aber nebenbei gab es nicht den ganz großen Luxus, sondern eher schlichte Unterkünfte, und manchmal musste es auch der Bus sein: ein nichtklimatisiertes Vehikel in der schwül-heißen Karibikluft, mühsame Meilen bis zum Bacardi-Feeling.

Ganz anders auf der MS Europa: Champagner, Kaviar und jede Menge Extrawürste, gern am Tisch des Kapitäns, die Herren im Smoking, die Damen mit Gold behängt. 180 Tage auf dem Luxusliner, mit Swimmingpool, Bars, Landausflügen – und jeder Menge gepflegter Langeweile.

Wer jemals von einer Kreuzfahrt geträumt hat, sollte einen weiten Bogen um Matthias Polityckis nur bedingt fiktives Schiffstagebuch machen: Der Autor war tatsächlich ein halbes Jahr Schiffsschreiber auf dem schwimmenden Luxushotel.

Alle anderen dürften viel Spaß mit dem witzigen, hintergründigen Buch haben. Politycki führt den beschränkten Horizont so mancher betuchter Weltreisender vor und zeigt, dass er sich weder durch geführte Landgänge noch durch die Weite des Meeres jemals öffnen wird. Nur unterwegs sein reicht nicht – man muss die Welt auch an sich herankommen lassen.


WÜSTENTRAUM

Das wollte Jeroen van Bergeijk, wenn auch geschützt durch einen Mercedes 190. Ein ganz besonderes, ein Kultauto, wenn man den  begeisterten Ausbrüchen des ansonsten knochentrockenen Holländers folgt.

Mit einem dieser Wunderwerke wollte er von Amsterdam nach Burkina Faso fahren, um dort seinen motorisierten Liebling zu verkaufen. Dorthin zu kommen, war nicht einfach, weil der Wagen auch vorher heiß begehrt war, und nicht immer angenehm:

Die Hitze quälte, es gab Sandstürme, Banditen und Halsabschneider. Aber für das fantastische Gefühl beim Herumheizen im Wüstensand lohnte sich das alles, meint van Bergeijk. Und für die Nächte unter einem enorm weiten Himmel. Sein Buch ist für alle, die von der Wüste und der Rallye Paris-Dakar träumen.

ZEIT ZUM WANDERN

Ökologischer, nämlich zu Fuß reisten Jason Goodwin, seine spätere Frau Kate und sein Freund Mark: von Danzig nach Istanbul. Drei anderer, die bis dahin kaum Erfahrung im Zufußgehen hatten, nicht so recht wussten, was man unterwegs wirklich braucht – und einfach mal loszogen.

1990, kurz nach den Umbrüchen in Osteuropa. Unterwegs über Land, immer hungrig, ohne frische Wäsche und meist ohne Dusche. Übernachtet wurde in Scheunen, alten Schulhäusern oder Höfen gastfreundlicher Menschen, oft auf dem Fußboden. Komfort ist anders.

Aber Goodwin klingt so, als ob er nicht einen Tag seiner Reise missen möchte, bei der die Wanderer die Gegenden, durch die sie zogen, in aller Ruhe auf sich wirken ließen. Mit seinem Wanderbuch fällt man aus der Hektik des Alltags, fast so, als ob man selbst mit unterwegs ist, und kann dem eigenen Leben für eine Weile ein anderes Tempo geben.


Text: Sabine Schmidt

Share and Enjoy:
  • Print
  • Digg
  • Sphinn
  • del.icio.us
  • Yahoo! Bookmarks
  • Facebook
  • Mixx
  • Google Bookmarks
  • Blogplay
  • LinkedIn
  • StumbleUpon
  • Twitter
  • RSS

Kommentar verfassen

Connect with Facebook

Leseprobe

Related Posts

  • No Related Post