Space Opera
admin | Posted 17/07/2008 | Autoren | Keine Kommentare ».jpg)
Die drei wichtigsten Romane von Ray Bradbury sind unter dem Titel
"Space Opera" in einer Neuedition erschienen. Unter ihnen ist
"Fahrenheit 451": Das Plädoyer für das freie Denken hat auch nach über
50 Jahren nichts von seiner Bedeutung verloren.
"Es ist ein schöner Beruf. Montag verbrenne Millay, Mittwoch Melville, Freitag Faulkner, verbrenne sie zu Asche, dann verbrenne noch die Asche. Das ist unser Motto." Montag heißt der Mann, der die noch verbliebenen Reste der Weltliteratur dem Feuer übergibt, Guy Montag.
Er ist "Feuerwehrmann" in einer nicht näher bestimmten Stadt im Amerika der Zukunft. Gemeinsam mit seiner Truppe sucht er die wenigen Intellektuellen in ihren Häusern und Wohnungen auf, um ihnen zu entreißen, was sie am meisten lieben: das geschriebene Wort. Manche lassen sich lieber mit verbrennen, als sich freiwillig von ihren Schätzen zu trennen.
Doch durch die Bekanntschaft mit der 16-jährigen Clarisse kommen Montags Weltbild und seine bislang unhinterfragte Pflichttreue ins Wanken. Das Mädchen liebt die Stille, die Menschen, die Blumen, die Gerüche der Natur; sie denkt nach – und das ist gefährlich in einer Welt, in der Träume und Gefühle als suspekt gelten. Sie wird getötet.
1953 erblickte Ray Bradburys "Fahrenheit 451" das Licht der Welt. Der Roman ist der Ausbau seiner Story "Der Feuerwehrmann", die der damals 33-Jährige zwei Jahre zuvor in einem Science-Fiction-Magazin veröffentlicht hatte – geschrieben in neun Tagen für neun Dollar und achtzig Cent auf einer Miet-Schreibmaschine in der Bibliothek der University of Los Angeles.
Fahrenheit 451, das sind 232,78 Grad Celsius, die Temperatur, bei der Papier zu brennen beginnt. Bradburys bedeutendstes Werk indes hat auch 55 Jahre nach seinem Erscheinen nichts von seiner lodernden Intensität verloren.
Was diese Gegenutopie auszeichnet, ist nicht allein das Szenario einer entmenschlichten Gesellschaft unter der Fuchtel eines Obrigkeitsstaates, wie sie zuvor George Orwell in "1984" oder – noch früher – Aldous Huxley in "Schöne neue Welt" entworfen hatten.
Die Menschen in "Fahrenheit 451", so erzählt es der zynische Feuerwehrhauptmann Beatty im Verlauf des Buches, haben ihr Schicksal selbst gewählt.
Da Philosophie, Kunst, Literatur, also alles, mit dem ein Mensch sich ganz allein beschäftigen kann, nur zur Vermehrung von Unzufriedenheit und Unglück beitragen, hat die Gesellschaft beschlossen, sich lieber dauerhaft von Videoleinwänden und Vergnügungsparks bespaßen zu lassen als von Shakespeare und Schiller.
Auf Zuwiderhandlung folgt Vernichtung: Feuer, Gefängnis, Tod.
Lange Zeit wurde der Roman als Reaktion auf die in den 1940er- und 1950er- Jahren wütende Kommunistenhatz des berüchtigten Senators Joseph McCarthy interpretiert.
Aber Bradburys Botschaft ist viel simpler – und für seine Zeit erstaunlich weitsichtig. Der Mann aus Illinois warnt vor einer massenhaften Verdummung durch Fotografie, Rundfunk und Fernsehen. Also vor denjenigen Medien, die einen komplexen Inhalt auf einen schnell konsumierbaren Happen reduzieren können.
Bradbury freilich sieht Licht am Ende des Tunnels. Sein Feuerwehrmann Montag löst sich endgültig von den Fesseln des vermeintlichen Glücks. Er flieht in die Wälder zu den "Büchermenschen".
Diese, zumeist frühere Professoren oder kommende Freigeister, lernen Bücher auswendig, auf dass ihr Wissen nicht verloren geht. Sie wollen das in ihnen Geschriebene weitergeben für Generationen, die es vielleicht mal gebrauchen können.
"Fahrenheit 451" ist heute noch so aktuell wie 1953, vielleicht sogar noch wichtiger.
Text: Marcus Römer für die Printausgabe von Seite 4
Ray Bradbury: Space Opera. In drei Bänden
Diogenes, 960 Seiten, im Schuber
Fahrenheit 451. Aus dem Amerikanischen von Fritz Güttinger
Die Mars-Chroniken. Aus dem Amerikanischen von Thomas Schlück
Der illustrierte Mann. Aus dem Amerikanischen von Peter Naujack