Hexenwahn
admin | Posted 25/10/2008 | Belletristik | Keine Kommentare »
Es ist noch nicht allzu lange her, dass die Angst vor Hexen und dem Teufel die Menschen beherrschte – und von der
Obrigkeit geschürt wurde. Sabine Weigand hat über diese finstere Zeit einen spannenden Roman geschrieben.
Wie ein schleichendes, unsichtbares Gift breitet sich die Hysterie im Bamberg des Jahres 1626 aus. Überall vermutet man plötzlich Teufelswerk und Drudenzauber.
Jeder bezichtigt jeden, und bald beginnen die Scheiterhaufen zu brennen. Am Ende dieses Wahns werden weit mehr als 1.000 Unschuldige verbrannt oder zu Tode gefoltert worden sein.
In diese erstickende Atmosphäre aus Denunziation, Folter und Feuertod kommt der junge Arzt Cornelius Weinmann.
Er hat soeben seine Medizinstudien an Universitäten von Prag, Padua und Bologna beendet und kehrt heim nach Bamberg, um die Praxis seines verstorbenen Vaters zu übernehmen.
Dort begegnet er Johanna, der ältesten Tochter des Apothekers Abdias Wolff, und verliebt sich in sie.
Diese beiden jungen Leute stehen im Zentrum des Romans "Die Seelen im Feuer", in dem die Schriftstellerin und Historikerin Sabine Weigand die Leser auf eine intensive Reise in dunkle Zeiten mitnimmt: Zeiten, in denen Glaube und Aberglaube untrennbar miteinander verbunden waren und Herrscher dies als Instrument des Machterhalts zu nutzen wussten.
"Der Glaube an Hexerei ist so alt wie die Menschheit selbst", sagt Sabine Weigand. "Und die Zeit, in der Hexen
und Dämonen zum Alltagsinventar unserer eigenen Vorfahren gehörten, ist noch gar nicht so lange her.
Erst im Laufe der letzten 300 Jahre konnte sich die westliche Zivilisation einigermaßen von diesem Anschauungsmuster lösen. Die Unvollkommenheit dieses geistigen Emanzipationsprozesses ist unschwer an den gefüllten Kassen von Wahrsagern, Geistheilern und Okkultisten abzulesen."
Die Autorin erzählt in ihrem historischen Roman eine spannende Geschichte. Der Fürstbischof Fuchs von Dornheim regiert sein Reich von seiner Residenz Schloss Geyerswörth aus.
Er sieht das prosperierende Bamberg, doch das wachsende Selbstbewusstsein seiner Bürgerschaft ist ihm ein Dorn im Auge. Jedes Mittel ist ihm recht, um die freien Franken im Allgemeinen und die Stadträte und Bürgermeister Bambergs
im Besonderen in ihre Schranken zu weisen.
So merkt Fuchs von Dornheim erst, als es fast zu spät ist, wie sehr ihn sein fanatischer Weihbischof Friedrich Förner manipuliert hat, um das vermeintlich Böse in der Stadt mit Stumpf und Stiel auszurotten.
Denn die große, hysterische Angst vor Hexen und Hexern ist längst da, man braucht sie nur noch richtig zu schüren,
grausam Geständnisse zu erfoltern und anschließend wirkungsvoll zu zündeln.
So beginnt ein Massenmord, der als das "Bamberger Werk" in die Geschichte eingehen wird.
Sabine Weigand hat in ihren bisher erschienenen historischen Romanen ("Die Markgräfin", "Das Perlenmedaillon",
"Die Königsdame") stets historisch belegte, reale Personen in den Mittelpunkt der Handlung gestellt.
In ihrem jüngsten Werk ist mit der Apothekerstochter Johanna erstmals eine fiktive Figur ihre Heldin.
"Der Grund dafür ist ganz einfach", sagt Sabine Weigand: "Für den, der damals in die Mühlen der Hexenprozesse
geriet, gab es kein Entkommen, kein Happy End mehr.
Ein reales Vorbild hätte also unweigerlich nicht überleben können.
Es schien mir angesichts der Düsternis und Schwere des Themas jedoch zu schlimm, meinen Lesern auch noch einen schlechten Ausgang des Romans aufzubürden.
Deshalb habe ich die Figur der Johanna Wolff erfunden. Sie darf am Ende weiterleben."
WIE ES DAMALS WAR
"Die Seelen im Feuer" ist ein ausgezeichnet recherchierter historischer Roman, der dem Leser einen überbordenden Detailreichtum bietet.
Eine Fülle von Originaldokumenten aus dem Bamberg des Hexenwahns ist dramaturgisch geschickt in den Handlungsfluss eingewoben.
"Durch einen beinahe unglaublichen Zufall sind uns die kompletten Bamberger Hexenakten aus dem 17. Jahrhundert erhalten geblieben", erklärt Sabine Weigand.
"Auch wenn ich mich eigentlich als ,abgebrühte’ Historikerin sehe, hat mich die Lektüre dieser Folterprotokolle mitgenommen."
Eine Fortsetzung der opulenten Geschichte um Johanna und den Mediziner Cornelius ist nicht geplant.
"Ich hasse Fortsetzungen!", betont die Autorin. "In einem guten Roman ist am Ende alles gesagt und alles ausgeschöpft, was man zum Thema schreiben kann."
Text: Bettina Ruczynski für die Printausgabe von Seite 4