Zum Tod von Elisabeth Alexander
admin | Posted 23/01/2009 | Autoren | Keine Kommentare »
Die große alte Dame der deutschsprachigen Literatur verstarb am 17.
Januar 2009. Elisabeth Alexander starb im Alter von 86 Jahren am
vergangenen Samstag nach längerer Krankheit in Heidelberg. Wir möchten
ihr Leben und Werk in Erinnerung rufen.
Alexander wurde am 21. August 1922 in Linz am Rhein geboren.
Sie wuchs in einer kinderreichen Familie auf, ihre Jugend war stark katholisch geprägt.
Während des Krieges war sie u. a. Rechnungsführerin im Reservelazarett; 1946 zog sie nach Heidelberg, arbeitete bei der US-Armee, besuchte das Abendgymnasium und anschließend die Hochschule für Musik und Theater in Heidelberg.
In den 60er Jahren ließ sie sich scheiden, begann zu schreiben udn war bald – als alleinerziehende Mutter von 4 Kindern – Autorin von Beruf.
Die 70er Jahre brachten ihr dank einiger Buchpublikationen größere Aufmerksamkeit, berühmt wurde sie mit dem 1978 erstmalig erschienenen Bestseller "Die törichte Jungfrau", damals ein Skandalbuch.
"Die Frau. Im Bett war sie immer zu Hause.", begann der tabulose Roman um ihre Hauptfigur Josefine Bähr, deren Erlebniszentrum ihr Unterleib ist.
Das brachte Elisabeth Alexander in konservativen Kreisen schon dreißig Jahre vor Charlotte Roche den Ruf einer Porno-Poetin ein.
Tatsächlich kommt der Roman bissig, teilweise wütend daher.
Er ist ein höchst unterhaltsames anekdotisches Stück deutscher Gegenwartsprosa.
Ab 1988 erschien ihr Hauptwerk, beginnend mit den Neuausgaben der "Törichten Jungfrau" und ihres zweiten Romans "Sie hätte ihre Kinder töten sollen".
Zusammen mit dem kurz darauf erschienenen "Bauchschuß" bilden diese Werke die sogenannte "Heidelberger Trilogie". Es paßt zu Alexander, dass sie, nachdem dieser Begriff sich für die 3 Romane eingeprägt hatte, viel später den neuen Roman "Die sieben Häute der Hanna Winter" hinzufügte.
Zum 80. Geburtstag erschien dieses Buch, das aus ihrer Trilogie eine Tetralogie werden ließ.
Der Roman, der wiederum all jenen Frauen ein Denkmal setzt, die ein unverdientes Nischendasein am Rande einer nach wie vor männerzentrierten gesellschaftlichen Wirklichkeit führen, ist zugleich der erste Band ihrer Werkausgabe.
Ihre vielleicht schönsten Bücher waren zum einen der Kurzgeschichtenband "Kurz & klein", den die Rhein-Neckar-Zeitung prägnant beschrieb als "Kurz, bündig, gewaltig.".
Und zum anderen ihr persönlichstes, geheimnisvollstes, aber auch komplexestes Buch, der Gedichtband "Am Fußende des Bettes".
Sie verstand das mit markanten Fotos aus ihrem Leben illustrierte Buch als ein "großes Gedicht".
Kein Wunder, dass im "Lexikon der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur" ein Beitrag zu Elisabeth Alexander mit dem Satz schließt "Die Sinnlichkeit ihrer Sprache findet ihre Erfüllung in der klanglichen Dimension ihrer Texte, auch aus den Prosatexten scheint ihre lyrische Kompetenz hervor."
Zu ihrem Werk wurde an verschiedenen Universitäten geforscht, in den USA galt sie seit Prof. Hunts Vortrag "Abbau im Muttermythos. Zum Prosawerk von Elisabeth Alexander" (Jahrestagung der Modern Language Association of America in Washington) innerhalb der deutschen Literatur als das "weibliche Gegenstück zu Grass".
Elisabeth Alexander war Zeit ihres Autorenlebens mit ihrer Literatur und für ihre Literatur unterwegs.
Ein Unfall "im Dienste der Literatur", wie sie es ausdrückte, erzwang im hohen Alter ihren Rückzug von den Lesereisen.
Ein Sturz in der Dusche. Aber bis zuletzt publizierte sie Gedichte, so geschehen im Jahrbuch für Grafik und Literatur, dem "Verschenk-Calender 2009".