Elsas Blaubeeren
admin | Posted 17/03/2009 | Belletristik | Keine Kommentare »
Üppige Familienlegenden rankten sich um das Haus der Großeltern,
denn gleich nach Kriegsende hatte man eine Mauer um die Siedlung
gezogen und russische Offiziersfamilien dort einquartiert. So
war es doppelt unerreichbar, ein Sehnsuchtsort, besonders für die
jüngere der beiden Schwestern. Marion Boginski erzählt eine Geschichte von ansteckender
Lebenslust, in der am Ende aufgegessen wird, was bestimmt war,
aufgegessen zu werden.
Jahrzehntelang schürte ein Foto des "Russenhauses" an der Küchentür der Mutter die Neugier der Protagonistin und ihrer Schwester. Immer geheimnisvoller werden die Erzählungen und Erinnerungen, die sich um das Haus ranken.
Denn einst war es in Familienbesitz, gebaut in einer brandenburgischen Kleinstadtsiedlung in den 30er Jahren.
Kaum aber war die Familie eingezogen, kam der Krieg und nach dessen Ende mussten die Bewohnder die Häuser für russische Offiziersfamilien räumen.
Um die Häuser wurde eine Mauer gezogen, unerreichbar für die ehemaligen Bewohner.
Für die Ich-Erzählerin entwickelt sich das alte Gebäude zu einem Sehnsuchtsort. Als mit der Wende das Russenhaus wieder in Familienbesitz fällt, sieht sie sich einem alten Traum nahe.
Doch die Mutter, längst im Pflegeheim, verfügt, dass die ältere Schwester Clara und deren Mann das baufällige Haus beziehen sollen.
Obwohl sie nicht in dem Haus wohnen kann, findet die jüngere Schwester jedes Mal dort Zuflucht, wenn sie wieder ein Mann verlassen hat. Ganz will und kann sie das alte Familienerbe nicht der Schwester überlassen. Weitere zehn Jahre vergehen, da verschwindet Claras Mann Hannes am Weihnachtsabend, ohne eine Nachricht zu hinterlassen. Diesmal bleibt ihre jüngere Schwester, hilft Clara ins Leben zurück und nimmt dabei mehr und mehr von dem Haus Besitz.
Beide Schwestern finden neue Partner. Aber als Hannes eines Tages unverhofft wieder auftaucht, müssen Entscheidungen getroffen werden.
Leicht mit feiner Ironie erzählt Marion Boginski die Geschichte eines Hauses, das schicksalhaft mit der einer ostdeutschen Familie verwoben ist und ein verheißungsvolles Glas Blaubeeren im Keller birgt.
Marion Boginski wurde 1959 geboren. Sie lebt in Eberswalde. Bisher veröffentlichte sie Kurzgeschichten in Zeitschriften und Anthologien. 2008 erhielt sie den Ehm-Welk-Literaturpreis.