Manneswehen

Petra Bohm | Posted 07/07/2009 | Belletristik | Keine Kommentare »

männliches Pendant zu «Feuchtgebiete»?

Es war nur eine Frage der Zeit: Nach dem einschlagenden Erfolg von Charlotte Roches «Feuchtgebiete», die unter anderem Einblicke in die intimen Zonen der Frauen gewähren, war das andere Geschlecht am Zuge. Etwa eineinhalb Jahre später hat nun Bruno Preisendörfer («Die letzte Zigarette») mit «Manneswehen» einen Roman vorgelegt, der Frauen eine den meisten wohl in diesen Einzelheiten kaum bekannte Perspektive des männlichen Genitalbereichs eröffnet.

Max Vola ist derjenige, welcher über seine Wehwehchen unterhalb der Gürtellinie schmerz- und lustvoll plaudert und neben Binsenweisheiten auch detailliertes medizinisches Fachwissen offenbart. Kein Wunder, ist doch seine Lebensgefährtin Ärztin. Genauer gesagt, ist Helen Gynäkologin, was mit der Angelegenheit ihres Mannes allerdings wenig zu tun hat und auch im Romangeschehen eine eher untergeordnete Rolle spielt.

Max und Helen entschließen sich zur Kinderlosigkeit. Nachdem sie alle möglichen Verhütungsmethoden mit mehr oder weniger großem Vergnügen ausprobiert haben, ist Max reif für eine Vasektomie. Als aufgeklärter und moderner Mann weiß er natürlich, dass eine Durchtrennung der Samenleiter weder ein großer, noch schwieriger Eingriff ist. Dass er dennoch Probleme im Vorfeld und noch größere im Nachhinein bekommt, hat er sich selbst zuzuschreiben.

Nun sitzt Max in seiner Eierschaukel, wie er und Helen den selbstgebastelten Notsitz bezeichnen. Er kommt ohne fremde Hilfe nicht mehr heraus, weil jede Bewegung seinen blauschwarz-grüngelb gefärbten und geschwollenen Hoden höllisch wehtut. Und da Helen arbeitet, sinniert er in seinem Hängesessel gezwungenermaßen über das Leben, die Liebe und viele andere Dinge, die die Welt bewegen und die vor allem mit einem zu tun haben: seinen Kronjuwelen.

Jeder weiß, wie genussvoll das Leid anderer sein kann. Und so verfolgt man voller Mitgefühl und Schadenfreude seine wirklich sehr komisch geschilderten Erinnerungen in der Eierschaukel, die mit einem erzwungenen Ejakulationsstau beginnen und mit einem beinahe vergeblichen Versuch, auf dem sterilen Klo der Arztpraxis eine Samenspende aus seinem besten Stück herauszuschütteln, auf einen ersten Höhepunkt zusteuern. Weitere folgen.

Dezent ist das Buch nun wirklich nicht und daher nichts für Zartbesaitete. Eher «von verwegener Offenheit», wie der herausgebende Eichborn Verlag verspricht. Man kann das auch übersetzen mit deftiger, aber durchaus üblicher Umgangssprache, die zwar nicht klinisch rein, aber auch nicht bakteriell verseucht ist. Und die zum Dauergrinsen animiert, trotz minimalistischer Story.

Preisendörfers «Manneswehen» werden ebenso wie seinerzeit die «Feuchtgebiete» sicher nicht auf ungeteilte Zustimmung treffen. Aber da vieles, was vor wenigen Jahrzehnten noch als Tabu galt, meist einen beachtlichen Verkaufswert besitzt, darf sich der Autor hoher Umsatzzahlen wohl gewiss sein.

© Frauke Kaberka, dpa

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