Erfolgreich wie umstritten: Joachim Fernau
Petra Bohm | Posted 07/09/2009 | Autoren | Keine Kommentare »
«Wer ist denn Joachim Fernau?», dürften sich viele jüngere Deutsche heute fragen..
Einst schrieb Fernau einen Bestseller nach dem anderen, was er anpackte, wurde zum Verkaufserfolg. Heute kommt er meist nur noch in den Feuilletons oder im Kultur-Radio vor. Dort aber wird noch genauso heftig über ihn gestritten wie schon in den 1960er und 70er Jahren. Meist kommt Fernau dabei nicht besonders gut davon. Am 11. September wäre er 100 Jahre alt geworden. Er starb 1988 in München.
Schon zu Lebzeiten bewegte sich Fernau zwischen den Extremen – und zwar den heftigsten: Während seine locker geschriebenen historischen Abhandlungen in tausenden deutschen Bücherregalen standen, wurde er von Kritikern und liberalen Lesern regelrecht gehasst.
«Widerling» wurde er gerufen, seine Bücher als «Ramsch» und «Geplapper» beschimpft. Seine Geschichts-Umdeutungen seien völlig subjektiv und unwissenschaftlich, er sei ein arroganter Besserwisser. Die konservative Gegenseite lobte, Fernau habe mit seinen Büchern ein Zeichen gegen das langweilige Aufzählen von Daten im Geschichtsunterricht gesetzt, die Massen für historische Ereignisse begeistert, die Geschichte vom Sockel geholt.
Seinen ersten Riesen-Erfolg verbuchte Fernau 1961 mit seiner Verfremdung der griechischen Antike in «Rosen für Apoll». Zehn Jahre später nahm er sich in «Cäsar lässt grüßen» die alten Römer vor. Auch den Deutschen widmete er sich. «Deutschland, Deutschland über alles…Von Arminius bis Adenauer» oder «Disteln für Hagen. Bestandsaufnahme der deutschen Seele» wurden zu «wahren Haus- und Volksbüchern», wie es noch heute in manchen Lexika heißt.
Umstritten war Fernau auch wegen seiner Vorgeschichte. Geboren wurde er am 11. September 1909 in Bromberg im heutigen Polen. Nachdem er sein Studium in Berlin abgebrochen hatte, wurde er Journalist. Von 1939 bis 1945 war er Soldat und arbeitete unter anderem als Kriegsberichterstatter. Bis kurz vor Kriegsende schrieb er Durchhalte-Artikel. Diese und andere Fernau-Texte gaben den Anstoß für die heftige Kritik des Literaturwissenschaftlers Peter Wapnewski.
Noch in seinen erst vor wenigen Jahren veröffentlichten Memoiren schreibt Wapnewski: «Ist es denn nicht so, dass die schauderhafteste Fehldiagnose, die je ein Zeitungsberichterstatter geliefert hat, ihm definitiv die Approbation entzieht? ‘Der Sieg ist wirklich ganz nahe’ – wer das diesem Volke im August 1944 versprach, ist entweder ein Schwachkopf von unvorstellbarem Format – oder aber ein infernalischer Lügner.» Fernau hätte das Schreiben einfach lassen sollen, das eigene Volk mit Bestandsaufnahmen verschonen, schreibt Wapnewski weiter.
Stattdessen stieg Fernau schon kurz nach dem Krieg zum Erfolgsautor auf, mit Sätzen wie «Aber Gunther war besten Mutes, hobbelte seinen Mustang an, ließ die Picknickkörbe öffnen und sich selbst häuslich nieder» über die Nibelungen-Sage. Zwischendurch fügte er auch schon mal Publikumsansprachen im Stil von «Nun, meine Damen und Herren, was meinen Sie?» oder «Das hätten Sie wohl nicht gedacht?» ein. Befürworter loben darin seine Art, historische Vorgänge mit alltagsgeläufigen Bildern zu beschreiben. Kritiker nennen das «Quasselstil». Fernau starb am 24. November 1988 in München.
© Britta Gürke/dpa