Der dunkle Wächter

Petra Bohm | Posted 09/10/2009 | Belletristik | Keine Kommentare »

Carlos Ruiz Zafóns Bestseller – jetzt endlich auf Deutsch

Das Grauen hat einen neuen Namen: «Der dunkle Wächter». Es ist zwar nicht das jüngste Werk des spanischen Schriftstellers Carlos Ruiz Zafón, sondern eines seiner früheren Jugendbücher (1995). Aber gerade noch rechtzeitig vor der dunklen Jahreszeit und wunderbar passend zu Halloween ist das Buch nun erstmals in deutscher Sprache erhältlich. Vielleicht hat die späte Veröffentlichung hierzulande auch etwas Gutes: Immerhin hat Zafón in dieser Zeit mit seinen Erfolgsromanen «Der Schatten des Windes» (2001) und «Das Spiel des Engels» (2008) eine große Fan-Gemeinde erobert, die Nachschlag der düsteren, spannenden und unheimlichen Geschichten einfordert.

Nun denn, hier kommt er: Das geheimnisvolle Märchen um die Familie Sauvelle und den dunklen Wächter ist die perfekte Lektüre für Kuschelabende – und selbstredend nicht nur für ein jugendliches Publikum, sondern für jedes Alter, das wohligen Schauer liebt. Die Handlung spielt in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, vorwiegend in der Normandie. Die Witwe Simone Sauvelle zieht mit ihren beiden Kindern von Paris an die Küste, um hier bei dem Spielzeugfabrikanten Lazarus Jann die Stelle einer Hauswirtschafterin anzunehmen.

Zunächst scheint es, als ob die Sauvelles damit das große Los gezogen hätten: Sie haben ein schönes Haus in wunderbarer Kulisse. Die Arbeit wird gut bezahlt. Zudem scheint Lazarus Jann ein angenehmer und gutmütiger Arbeitgeber zu sein. Und Tochter Irene findet in dem Fischerjungen Ismael ihre erste Liebe. Einzig das einer monströsen Burg ähnelnde Anwesen Janns, Cravenmoore, strahlt etwas Unheimliches aus. Nicht nur äußerlich – auch wenn die zahlreichen «Verzierungen» mit steinernen Ungeheuern schon ausreichen würden, um zartbesaiteten Gemütern Schauer über den Rücken zu jagen. Doch noch gruseliger ist es drinnen: Überall begegnen dem Besucher von Jann konstruierte Automaten, vorzugsweise in menschlicher Gestalt.

Trotzdem leben alle ganz gut und zufrieden im Schatten von Cravenmoore – bis eines Tages in der Nachbarschaft ein Mord geschieht. Danach ist nichts mehr so, wie es war. Die Sauvelles und Ismael geraten in einen Sog von haarsträubenden Ereignissen, bei denen es immer um Leben und Tod geht. Zafón-Fans begegnen hier kurz dem seltsamen Andrea Corelli aus dem «Spiel des Engels» wieder. Und auch der Engel hat sich scheinbar in Cravenmoore eingenistet – ähnlich wie die zahlreichen Fledermäuse in dem uralten Gemäuer.

Noch etwas dürfte dem einen oder anderen bekannt vorkommen: die Verselbstständigung des Schattens. Schon der dänische Schriftsteller Hans Christian Andersen hat sich in seinem Märchen «Der Schatten» mit dem Phänomen des dunklen Ebenbildes auseinandergesetzt, das nicht mehr seinem «Herrn» folgen wollte. Doch Zafón hat seine eigene Geschichte drumherum gesponnen, noch undurchsichtiger, noch unerwarteter, noch unheimlicher.

Der Aufbau des Romans ist vergleichsweise einfach: Er beginnt mit einem Brief Ismaels an Irene und endet mit einem Brief Irenes an Ismael. Der Platz dazwischen ist mit chronologisch geordneten Ereignissen gefüllt, nur unterbrochen von kurzen Rückblenden oder Erinnerungen sowie von rekonstruierenden Nachforschungen der Protagonisten. Was auffällt, ist die Detailverliebtheit Zafóns bei der Schilderung der furchtbaren Kreatur und ihrer grausigen Macht. Das heißt nicht, dass der Leser keine Fantasie mehr braucht, um sich die Szenerie vorzustellen. Die bis ins Kleinste ausgemalte Handlung entwickelt eine dramatische Wucht.

Natürlich ist «Der dunkle Wächter» ein Fantasy-Roman mit Schwarz- Weiß-Malerei. Die Fronten zwischen Gut und Böse sind klar abgegrenzt und lassen keinen Raum für Mischformen. Vielleicht ist das dem Format des Jugendromans geschuldet. Doch wie auch die ausgereifteren Bücher Zafóns aus jüngerer Vergangenheit zieht der «Wächter» die Leser mit Macht in seinen Bann. Die gute Nachricht für Fans: Demnächst folgen zwei weitere Werke aus dem frühen Schaffen Zafóns: Für März und September 2010 hat der Fischer Verlag die Edition von «Der Fürst des Nebels» und «Der Mitternachtspalast» geplant – neues Gruseln garantiert inklusive.
© Frauke Kaberka, dpa

Carlos Ruiz Zafo

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