Irre – Wir behandeln die Falschen

Petra Bohm | Posted 25/11/2009 | Uncategorized | Keine Kommentare »

Eine heitere Seelenkunde von Bestsellerautor Manfred Lütz

Der bekannte Psychotherapeut will mit seinem neuen Buch “Aufklärung über wahnsinnig Normale und ganz normale Wahnsinnige” leisten und das auf höchst unterhaltsame Weise. “…eine allgemeinverständliche Gebrauchsanweisung für außergewöhnliche Menschen, und solche, die es werden wollen.” Seine These: »Um die Normalen zu verstehen, muss man erst die Verrückten studiert haben.«

Am Anfang des Buches steht die These, dass die “Normalen” das eigentliche Problem unserer Gesellschaft seien. “…der ganz normale Wahnsinn, der wahnsinnig Normale, der ganz normale Blödsinn und der blödsinnig Normale”. Lütz kritisiert die Phänomene, die in unseren Massenmedien täglich dargestellt werden. Er bestreitet z.B.,dass Hitler “verrückt” gewesen sei und fordert damit die volle Zurechnungsfähigkeit und Verantwortung für seine Gräueltaten. Er verurteilt die Diskriminierung aller Andersartigen ebenso, wie z.B. den Blödsinn, der Dieter Bohlen und Konsorten täglich über die Lippen kommt.

Der Autor versucht zu erklären, wann eine Behandlung überhaupt Sinn macht, nämlich nur dann, wenn der Patient oder seine Umwelt und die Gesellschaft unter seinen Auffälligkeiten leiden. Seiner Meinung nach hat jeder Mensch eben die eine oder andere Macke. In der anschließenden “heiteren Seelenkunde” gibt es eine mit Anekdoten gespickte Sammlung aller psychischen Krankheiten, Störungen, Phänomene, Psychosen und deren Therapiemöglichkeiten mit vielen kurzweilig geschilderten Beispielen.

So führt Lütz den Leser in die außergewöhnliche Welt der rührenden Demenzkranken, hochsensiblen Schizophrenen, erschütternd Depressiven, mitreißend Manischen und dünnhäutigen Süchtigen. Er holt die psychisch Kranken gleichsam aus dem professionellen Ghetto.

In humorvoller und leicht verständlicher Sprache findet man so auf 208 Seiten keinesfalls ein langweiliges Kompendium psychischer Krankheitsdiagnosen und deren Behandlung auf Fachchinesisch, sondern eine vergnügliche Reise in die Welt der “Irren” mit all ihren Nöten und Gefühlen. Natürlich kann diese kurze Abhandlung nur an der Oberfläche kratzen, aber sicher ist das Buch auch nicht als Lektüre für Fachleute gedacht. Dafür gelingt es dem Autor, jedem, der sich einen Einblick in die Welt der psychischen Krankheiten und deren Behandlung verschaffen will, einige lehrreiche und unterhaltsame Stunden im Lesesessel zu bescheren und in Zukunft vielleicht mehr Verständnis für die “Irren” und etwas mehr Zweifel am vermeintlich “Normalen” aufzubringen.

Leseprobe

Dr. med. Dipl. theol. Manfred Lütz, geboren 1954, ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Nervenarzt und Theologe. Er studierte Humanmedizin, Philosophie und katholische Theologie. 1989 wurde er Oberarzt der psychiatrischen Abteilung am Marienhospital in Euskirchen und zugleich Leitender Arzt der Klinik Sankt Martin in Euskirchen-Stotzheim, einer Fachklinik für alkohol- und medikamentenabhängige Männer. Seit 1997 ist er Chefarzt des Alexianer-Krankenhauses in Köln, einem Fachkrankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie mit Versorgungsverpflichtung für den Kölner Süden. Er ist ausgebildet unter anderem in systemisch-lösungsorientierter, verhaltenstherapeutischer und psychoanalytischer Psychotherapie. Im Jahre 2003 rief er das Alexianer-Therapie-Forum ins Leben und organisierte im gleichen Jahr einen Kongress zum Thema „Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch katholische Priester und Ordensleute” im Vatikan. 1981 gründete er die integrative Jugendgruppe „Brücke-Krücke” behinderter und nichtbehinderter Jugendlicher in Bonn. Bekannt wurde er durch verschiedene Bestseller, darunter “Lebenslust – Wider die Diätsadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult”(2002) und “Gott – Eine kleine Geschichte des Größten”(2007), wofür er den internationalen Corine-Buchpreis 2008 erhielt. Umfangreiche Vortrags- und Publikationstätigkeit, seit 2006 vereinzelte Kabarettauftritte. Dr. Lütz ist verheiratet und hat zwei Töchter.

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