“Der Assistent der Sterne”

Petra Bohm | Posted 09/01/2010 | Krimis | Keine Kommentare »

Liebesbiss mit Folgen: Reichlin sprengt erneut Ketten des Genres

Während des Liebesakts wird der Expolizist Hannes Jensen von der Mitarbeiterin eines Physikprofessors in den Hals gebissen. Der Biss hat fatale Folgen. Diesen Ausgangspunkt für eine bis zur letzten Seite spannende Kriminalstory hat sich Linus Reichlin ausgedacht, der bereits für seinen ersten Roman «Die Sehnsucht der Atome» den Deutschen Krimipreis 2009 erhielt. Mit seinem neuen Werk «Der Assistent der Sterne» beweist er, dass die hohe Auszeichnung keineswegs nur ein Zufallstreffer war. Wieder sprengt er die Ketten des Genres, indem er höchst originell sein Faible für Wissenschaft, Physik vor allem, in die Handlung einfließen lässt.

Hannes Jensen, der Ex-Bulle, hat eine leidenschaftliche Schwäche für Quantenphysik, die ihn zu einem Seminar auf ein einsames Gehöft bei einem isländischen Gletscher führt. Eigentlich wollte Jensen überhaupt kein erotisches Abenteuer mit Ilunga Likasi, der Assistentin des verschrobenen Professors. Doch es passiert nun einmal. Die schmerzende Bisswunde bemüht er sich unter einem Kaschmirschal zu verbergen. Denn niemals könnte er den Seitensprung seiner blinden Geliebten Annick beichten, die ein Kind von ihm erwartet und die er dadurch verlieren würde. Den Mund zu halten, ist umso dringender geboten, als er nach seiner Rückkehr erfährt, dass ein afrikanischer Wahrsager Annicks Freundin vorausgesagt hat, dass deren Tochter sterben wird durch einen Mann, der ein Mal am Hals hat.

Jensen setzt alles daran, den Afrikaner Pierre Lulambo des Betrugs zu überführen – mit zweifelhaftem Erfolg. Auch ihm selbst prophezeit der Féticheur Ungemach: «Sie müssen Vera Lachaert aus dem Wege gehen. Ich bitte Sie. Denken Sie daran. Halten Sie sich von dieser Frau fern. Es ist lebensnotwendig», warnt er den verdutzten Ex-Cop auf offener Straße. Doch Jensen kennt keine Vera Lachaert. Und dann sieht er sich auch noch dem Verdacht des Mordes ausgesetzt, als Ilunga Likasi plötzlich verschwindet. Da können ihm auch nicht seine alten Kollegen bei der Brügger Polizei helfen, die ohnehin nicht wirklich von seiner Unschuld überzeigt sind. Je mehr sich Jensen gegen die schicksalhaften Verstrickungen wehrt, in die er gerät, desto weniger kann er ihnen entfliehen.

Linus Reichlins Roman beschreibt den Expolizisten, der sich eigentlich nur noch seinem Hobby, der Quantenphysik, und der blinden Mutter seines Kindes widmen will, auf einem Weg zwischen Schicksal und Zufall. Sein Leben wird bestimmt von Liebe und Betrug. Der Autor lässt seinen Hauptakteur selbst in schwierigster Situation über die Tiefen des Wissens und über die Entstehung des Universums nachdenken und philosophieren, zumal er darin Halt findet. Die naturwissenschaftlichen Reflektionen des Helden tun der Spannung keinen Abbruch, steigern vielmehr das Lesevergnügen ebenso wie die überraschende Auflösung des aberwitzigen Falles. Manchmal fühlt sich der Leser bei all dem Wissen des Hobby-Physikers auf den Arm genommen, immer aber fühlt er sich bestens unterhalten.
© Susanna Gilbert-Sättele/dpa

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