Feministin Groult wird 90

Petra Bohm | Posted 30/01/2010 | Autoren | Keine Kommentare »

Selbstbestimmung im Bett und im Leben…

Sie provoziert nicht, sondern sagt, was sie denkt, vor allem über sich. Etwas Exhibitionismus ist dabei, sonst wäre Benoîte Groult unfähig, ihre Gefühle öffentlich preiszugeben, und vor allem glaubensstarker Feminismus. Bekannt wurde die französische Schriftstellerin vor allem mit ihrem erotischen Bestseller «Salz auf der Haut», der millionenfach verkauft wurde und in Deutschland vier Jahre auf der Bestsellerliste stand. Damals war sie 68 Jahre alt. Seitdem hat die Französin, die am Sonntag (31.1.) 90 Jahre alt wird, nichts von ihrer schonungslosen Offenheit verloren, mit der sie über ihren späten Selbstbestimmungsprozess und ihre Sinnenfreude schreibt.

Erst vor wenigen Monaten wurde in Deutschland ihre Autobiografie «Meine Befreiung» veröffentlicht, in der sie in ihrem typisch sarkastischen Ton über ihre jahrzehntelangen Schwierigkeiten schreibt, vom schüchternen Mädchen aus der Pariser Oberschicht zur selbstständigen Frau zu werden. Dabei schont sie sich nicht: Sie beschreibt sich als Mädchen mit starren Augen, Ponyfrisur und einem offen stehenden Mund, der sie stets etwas dumm aussehen ließ. Am Ende gesteht sie, dass letztendlich ihr Mann sie zum Schreiben ermuntert hat.

Für eine Feministin durchaus ungewöhnliche Anfänge, wie die französische Schriftstellerin Josyane Savigneau denn auch über Groult schrieb. Mit Savigneau, der Biographin von Marguerite Yourcenar, führte sie lange Gespräche über den Feminismus, die 1999 unter dem Titel des autobiografischen Werks «Leben heißt frei sein» veröffentlicht wurden.

Groult kam erst nach drei Ehen und drei Kindern zum Feminismus. Ihr Kampf gleicht weder dem einer Simone de Beauvoir noch einer Rosa Luxemburg. Groult sucht ihre Emanzipation in der sexuellen Freiheit. «Nicht ohne eine gewisse Scheu mische ich mich unter die zweifelhafte Schar der Schriftsteller, die versucht haben, auf einem jungfräulichen Blatt Papier jene Freuden dingfest zu machen, die man die fleischlichen nennt, die einem aber zuweilen heftig das Herz angreifen», schreibt die Autorin in «Salz auf unserer Haut».

In dem Erfolgsroman beschreibt die Ich-Erzählerin ihre wilde Sexaffäre mit dem Fischer Gauvain, die sich durch ihr ganzes Lebens gezogen hat. Mehr als zehn Jahre später gestand sie, das diese Affäre autobiografisch war. Hinter dem Fischer versteckte sich ein amerikanischer Pilot, den sie damals im befreiten Paris kennengelernt hatte und den sie immer wieder traf – trotz ihrer Ehe, zwischen dem Schreiben und dem Hüten ihrer Enkel.

Was die Tochter einer Modedesignerin damals als bereits 68- Jährige in ihrem Bestellerroman schrieb, war von beeindruckender Offenheit und Kühnheit. So schrieb sie zum Beispiel über ihre durch zu vielen Sex wund gewordene Vagina: «Während ich eine lindernde Creme auf die betroffene Zone auftrage, wundere ich mich, dass die Autoren von Erotika diesen kleinen Unfall der … Wollust stets unerwähnt lassen. Die Scheiden der Heldinnen werden als unverwüstliche Rohrleitungen dargestellt, die das Eindringen von Fremdkörpern endlos ertragen können. Meine hingegen ist vollkommen wund [...], ganz abgesehen davon, dass sie unfähig ist, auch nur ein Suppennüdelchen aufzunehmen.»

So viel Kühnheit in diesem Alter war ungewöhnlich und trug zu dem großen Erfolg ihres Buches bei. Selbst Groult ist heute noch über ihren Mut erstaunt, den sie letztendlich auf eben dieses Alter zurückführt. «In dem Fall aber kam mir eine Freiheit zugute, die man dem Alter verdankt, eine Art Unverfrorenheit, deren ich weder mit zwanzig, noch mit vierzig fähig gewesen wäre», erklärt die Schriftstellerin, die in der ersten Lebenshälfte noch von Kindern und einer biederen Ehe träumte und heute ihr Glück in der Selbstbestimmung gefunden hat – im Bett und im Leben.
© Sabine Glaubitz/dpa

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