Der Feind in seinem Haus
Bettina Apelt | Posted 30/06/2010 | Krimis | Keine Kommentare »Manchmal ist das Opfer noch etwas unsympathischer als der Täter. Der Leser fühlt nur bedingt mit dem Opfer und beginnt zu ahnen, dass hier nicht unbedingt ein gutes Ende auf harmoniebedachte Konsumenten wartet.
Ein bisschen gestaltet es sich so bei Jason Starrs neuem Roman „Panik“. Hier wird der Familienvater Adam Bloom von einem Einbrecher heimgesucht. Bloom, Psychologe und Psychotiker, greift zur Waffe, schießt etwas übereilt und sich damit gleich zu Beginn der Geschichte selbst ins Aus. So richtig dankbar ist ihm dafür keiner. Die Ehefrau wundert sich, die Tochter nimmt ihm den Schuss übel, und auch die Polizei fragt sich, warum ein Mann so schnell agiert.
Wäre es nicht schon schwierig genug für Adam Bloom, hat der Täter auch noch einen Freund, der auf Rache schwört. Allerdings nicht die Form von Rache, gegen die die Polizei Familie Bloom schützen möchte. Johnny Long, so heißt der beteiligte Freund, plant durch die Hintertür zu kommen.
Als Anknüpfungspunkt sieht er Marissa, die Tochter von Bloom. Er liest ihren Blog, gräbt sich in ihre Gedanken und verwandelt sich immer mehr in ihren Wunschpartner. Er gibt den Maler für die Kunstinteressierte, den ehemaligen Wahl-Prager für den Europa-Fan und schließlich den Sensiblen für das Mädchen auf der Suche nach der Liebe. Bei einem Rockkonzert legt er die erste Fährte und Marissa verliebt sich. Die beiden wandern gemeinsam durch das New Yorker Partyleben, Johnny Long malt Bilder, die Marissa von seinem Tun überzeugen sollen und isst mit der Familie zu Abend.
Die sehr begeisterte Familie merkt die Intrigen, die er spinnt, zu spät und es ist ihm ein Leichtes, an den Zerwürfnissen zu arbeiten. Allerdings kommt er selbst nicht so schadlos davon. Es sind vor allem die männlichen Protagonisten in „Panik“, die ihre Blessuren tragen. Adam Bloom, der seine Familie zwar mag, sein Ego aber noch ein bisschen mehr. Johnny Long selbst, der so an sich als Sexgott glaubt, dass ihn diese Selbstüberschätzung verwundbar macht.
Jason Starr hat in „Stalking“ schon einmal von einem Mann geschrieben, der sich in einen Wunschpartner verwandelt. Für „Panik“ perfektioniert er diese psychischen Verhaltensmuster nun und zeigt einen spannenden Verwandlungskünstler. Die Palette ist etwas breiter und auch schonungsloser, zumal das Mitleid mit dem Opfer dem Leser nicht so leicht fällt. Das Mitfiebern hingegen ist problemlos möglich: Auch für harmoniebedachte Leser.