Leonie Swanns Krimi-Schafe jagen französischen Werwolf
Books | Posted 22/06/2010 | Belletristik, Krimis | Keine Kommentare »«Ist es wenigstens wieder lustig», fragte ein «Glennkill»-Fan beim Erscheinen von «Garou». Doch, ja. Auch für den neuen Roman hatte Swann originelle Einfälle, die die Welt aus der Schafsperspektive neu und ungewohnt erklären. Um sich noch mehr in ihre Hauptpersonen einfühlen zu können, hat Swann sogar ein Schäferpraktikum absolviert, wie sie in einem Verlagsinterview erklärte…
Eine Kommode wird von der Herde als Lamm eines Schrankes erkannt, das Unglück wendet sich, wenn Mopple the Whale nur die richtige Karte frisst, und die Schafe müssen trotz vieler Vorbehalte mit den Ziegen von der Nachbarweide zusammenarbeiten. Hübsch ist auch, mit welchem Trick eine besonders intelligente Ziege zusammen mit dem Schaf Lane einer Treibjagd entkommt.
So haben sich die Schafe aus dem irischen Örtchen Glennkill das europäische Festland nicht vorgestellt. Als ihr Schäfer George auf der sonnigen Weide hoch über dem Meer von Apfelgärten und komischen langen Weißbroten schwärmte, träumten Miss Maple, Mopple the Whale und all die anderen von einem Schafparadies. Doch wo sind sie gelandet? Im eisigen Winter auf einer Weide, die vom Wald umschlossen und von einem riesigen Schloss beschattet wird. Und in der Dunkelheit verborgen, droht auch noch ein Werwolf, der «Garou», der dem neuen Buch der Autorin mit dem Pseudonym Leonie Swann den Titel gab. Jahrelang hat der Garou Ruhe gegeben, doch dann liegt wieder ein totes Reh am Waldrand.
Dem Schaf-Krimi «Glennkill» (2005), der monatelang auf den Bestsellerlisten stand und allein im deutschsprachigen Raum über zwei Millionen Mal verkauft wurde, lässt Swann nun einen Schaf-Thriller folgen. Die unbekümmerten Tage, da die Schafe überzeugt waren, mit allem fertig zu werden, sind vorbei. Rebecca, die neue Schäferin liest ihnen keine Liebesromane mehr vor, sondern «Das Schweigen der Lämmer». Die Schafe wollen eigentlich nur noch weg. Alles, was sie unternehmen, ist darauf gemünzt, einen Ausweg aus der klaustrophobischen Situation zu finden. Aber wer auch immer aus der Weide ausbricht, irrt durch den Wald wie in einem wirren Winternachtstraum und kann am Ende froh sein, wieder bei den anderen zu landen.
Rebecca, die von ihrem Vater George testamentarisch verpflichtet wurde, mit den Schafen die versprochene Europareise zu unternehmen, muss sich erst in ihr neues Amt hineinfinden. Und sie muss dabei auch noch mit dem plötzlichen Auftauchen ihrer Mutter fertig werden. Trotzdem wundert sich der Leser, dass es ihr nicht auffällt, wenn die halbe Herde tagelang in geheimer Mission unterwegs ist. Zumindest dass Othello fehlt, der schwarze, vierhörnige Leitwidder, müsste doch auffallen, selbst dann, wenn Rebecca wieder mal das Zählen ihrer weißen Schäfchen vergisst.
Die Autorin, 1975 in der Nähe von München geboren, studierte Philosophie, Psychologie und Englische Literaturwissenschaften. Heute soll sie in Berlin wohnen. Schon in «Glennkill» zeigte Swann eine Vorliebe für kompliziert verwobene Handlungsstränge. Damals konnten die Schafe den Fall zwar aufklären, aber die Lösung nicht mehr verstehen. Zumindest Miss Maple, «das klügste Schaf der Herde und vielleicht der ganzen Welt», hat dieses Problem in «Garou» nicht.
Doch die Welt, die Swann hier entwirft, ist voll mythisch-mystischer Düsternis, eine Bedrohung für Leib und Seele. Selbst in Deckengemälden lauert der Wolf. So sieht eine Welt aus, in der Schafe so gut wie verloren sind. Die irische Herde und die Leser können nur hoffen, dass die Geschichte im Frühling freundlicher weitergeht, auch wenn nach Swann nach eigenem Bekunden derzeit keine solchen Pläne hat.
© Katrin Börner/dpa