Kafka, Biermann, Pasolini: 68er Verleger Klaus Wagenbach
03schacc | Posted 16/07/2010 | Autoren | Keine Kommentare »Klaus Wagenbach feiert 80. Geburtstag. Trotz aller Warnungen, ist sein Kleinverlag immer noch sehr lebendig. Er selbst nennt sich den meistvorbestraften Verleger – allerdings mit Bundesverdienstkreuz.
Wenn eine 68er Verlegerlegende wie Klaus Wagenbach 80 Jahre alt wird, dann muss er sich schon mal die Frage anhören: Warum gibt es Sie noch? Die Frage zielt auf die Unwägbarkeiten eines Kleinverlages, den Wagenbach vor 46 Jahren gründete. Der Verlag ist unabhängig und macht davon Gebrauch – mit Werken von und über Franz Kafka, Wolf Biermann, Erich Fried und Pier Paolo Pasolini sowie vielen anderen italienischen Autoren. Der Verlag kämpft nach den Worten Wagenbachs in der neuen Medienwelt unbeirrt gegen einen Banalisierungsschub auch in der Buchbranche. Am 11. Juli feierte der Verleger Geburtstag.
Der Kampf war nie einfach, vor allem, da sich Wagenbach gesellschaftspolitisch im linken Lager heftig engagiert und damit nach eigener Aussage der meistvorbestrafte Verleger in Deutschland (mit Bundesverdienstkreuz) wurde. Große Kollegen haben ihn schon auf der Frankfurter Buchmesse 1965 vor den Problemen gewarnt. Sie hätten ihn damals väterlich auf die Gefahren des Gewerbes aufmerksam gemacht und ihm geraten, sich einem größeren Verlag anzuschließen, am besten bald, denn das sei ohnehin das unausweisliche Schicksal, erinnerte sich Wagenbach später. Die väterlichen Ratgeber hießen Heinrich Maria Ledig-Rowohlt und Hermann Montanus.
Die Sucht nach schierer Grösse ist aber inhaltsleer, schreibt Wagenbach in dem zum 80. Geburtstag in seinem Verlag erschienenen Band «Die Freiheit des Verlegers». Vorgestellt wurde das Buch im Berliner Ensemble durch Autoren wie dem Literaturnobelpreisträger Günter Grass.
Alle wollen Marktführer werden, aber das Salz ihrer auf diesem Weg aufgefressenen Konkurrenten macht sie nur durstiger, nicht weiser, meint Wagenbach. Auf geistigem Gebiet habe die Jagd nach der großen Auflage und den fetten Profiten katastrophale Folgen. «Denn das Neue kommt seit jeher auf leisen Sohlen, nur Dreck verkauft sich immer.» So hätten zum Beispiel die Erstauflagen von Autoren wie Bertolt Brecht und Franz Kafka zunächst nur bei 800 bzw. 600 Exemplaren gelegen.
Der am 11. Juli 1930 in Berlin geborene Wagenbach arbeitete zunächst bei Suhrkamp und S.Fischer, bevor er im Herbst 1964 seinen eigenen Verlag im damaligen West-Berlin gründete. Obwohl er als Prototyp des politischen Verlegers der 68er Bewegung galt, blieb er doch fern jeder Oberlehrer-Attitüde und bar jeden Zynismus’, stets voller Lebensfreude (vor allem als Liebhaber der italienischen Lebensart), und politisch agierte er nach dem wohl immer wieder aktuellen Motto «Die Linke neu denken».
Der Verlag war zeitweise ein Dienstleistungsbetrieb der Linken, juristisch vertreten von Anwalt Otto Schily. Wagenbach blieb ein Störenfried, anfangs auch in den Augen seines Freundes Günter Grass, der in dem Verleger zeitweise eher einen Anarchisten sah. Vor allem aber war Wagenbach bei den dogmatischen Kommunisten wie der SED wenig gelitten, deren Zorn er sich mit der Herausgabe von Wolf Biermanns legendärer «Drahtharfe» in den Quartheften zuzog. Der Liedermacher hatte zuletzt Berufsverbot in der DDR, aus der er 1976 sogar ausgebürgert wurde
«Wer nicht haargenau wie die CDU denkt, fliegt aus der SPD raus», zitierte Wagenbach in diesem Zusammenhang gerne den Kabarettisten Wolfgang Neuss, dem es mit seinem Protest gegen den Vietnamkrieg seinerzeit in der West-Berliner SPD («die CSU der Gesamtpartei») tatsächlich so erging. Später gab es dann vom SPD-Genossen und Verleger-Kollegen Johannes Rau Genugtuung für Wagenbach. Denn der Bundespräsident Rau verlieh ihm das Bundesverdienstkreuz und würdigte den Verleger als unbeirrbaren Streiter für innovative Literatur und für die Lust am Lesen. Wagenbach, der auch in Italien viele Freunde hat und großes Ansehen genießt, habe sich große Verdienste um die deutsche und die italienische Literatur erworben.
Inzwischen hat Wagenbach die Alltagsgeschäfte seines Verlages längst in die jüngeren Hände seiner Familie gelegt, allein schon wegen seiner Unfähigkeit, sich in der modernen Computerwelt zurechtzufinden. Die werde es aber nicht schaffen, Bücher überflüssig zu machen, da ist sich der Altverleger ganz sicher: «Die Bücher überleben uns, ganz sicher, versprochen!»
© Wilfried Mommert/dpa