Gute Laune mit Kurt Tucholsky
Books | Posted 26/10/2010 | Autoren | Keine Kommentare »2010 ist gleich in doppelter Hinsicht ein Kurt-Tucholsky-Jahr: Der grösste Satiriker der Weimarer Republik kam vor 120 Jahren zur Welt – und starb vor 75 Jahren. Dazwischen lagen Jahre enormer Produktivität. Tucholsky schrieb über 3000 Artikel, Gedichte und Erzählungen…
Die meisten seiner Arbeiten erschienen in der legendären Zeitschrift «Die Weltbühne», einer der wichtigsten gesellschaftskritischen Publikationen der deutschen Geschichte. Eigentlich war Kurt Tucholsky, der aus einer recht vermögenden jüdischen Familie stammte, Jurist; das Schreiben und die Politik hatten es ihm aber schon früh angetan, deshalb liess er die vielversprechende Karriere als Anwalt sausen und wetzte fortan seine Feder gegen Militarismus und Engstirnigkeit. Seine Vielseitigkeit als Autor war so gross, dass er zu jeder Rubrik der «Weltbühne» etwas beisteuern konnte. Damit das Heft nicht als reine Tucholsky-Textsammlung daherkam, legte sich der Autor eine ganze Reihe von Pseudonymen zu: Ignaz Wrobel, Theobald Tiger, Peter Panter, Kaspar Hauser, Paulus Bünzly oder Theobald Körner. Sein vielleicht schönstes Werk, die leichte Sommernovelle «Schloss Gripsholm», veröffentlichte Tucholsky aber unter eigenem Namen. Liest man diese Erzählung, staunt man, wie frisch und unbekümmert Tucholskys Sprache noch immer wirkt. Sie hat die Zeit überstanden, ohne Staub anzusetzen – das ist bei vergnüglichen Texten selten, Humor und Satire altern in der Regel schlecht.
Tucholskys elegante Vielschreiberei half indessen wenig, die realen Verhältnisse zu verändern. Deutschland radikalisierte sich, 1933 kamen die Nazis an die Macht; sie verboten die «Weltbühne», verbrannten Tucholskys Bücher und bürgerten den Schriftsteller aus. Der war allerdings schon in den 1920er-Jahren angeekelt nach Schweden ausgewandert. Ob er sich im Exil 1935 das Leben nahm, wie lange vermutet wurde, oder ob er aus Versehen eine Überdosis Schlafmittel schluckte, wird man wohl nie wissen.
Zahlreiche Neuerscheinungen ermöglichen uns Heutigen, das grosse Werk des «kleinen dicken Berliners» (Erich Kästner) noch einmal Revue passieren zu lassen. «Gute Laune mit Kurt Tucholsky» verbreitet genau das, was der Titel verspricht. Der Feuilletonist Fritz J. Raddatz hat die neue Biographie «Tucholsky» verfasst. Und etwas später im Jahr erscheint dann auch noch «Weihnachten mit Kurt Tucholsky», eine unsentimentale Festtagsbegleitung. Eine ganz besondere Empfehlung ist schon etwas älter: Der schöne Band «Augen in der Grossstadt» der Edition Büchergilde präsentiert die besten Gedichte, Aphorismen und Artikel, alles kongenial illustriert von Hans Ticha.
Als amuse bouche ein kleines Müsterchen vom Meister:
Wenn ich jetzt sterben müsste, würde ich sagen: «Das war alles?» Und: «Ich habe es nicht so richtig verstanden.» Und: «Es war ein bisschen laut.»