“Beim Griechen”
Petra Bohm | Posted 28/11/2010 | Belletristik | Keine Kommentare »Der renomierte SZ-Magazin-Redakteur Alexandros Stefanidis erzählt die Geschichte seiner Familie, in deren Zentrum sein Vater Christoforos und das 1971 gegründete, familiengeführte Restaurant “Der Grieche” in Karlsruhe stehen. Dort, im “Wohnzimmer” der Stefanidis spielte sich nicht nur das Leben der sechsköpfigen Familie ab, es war gleichzeitig eine einzigartige Bühne für deutsche Zeitgeschichte…
Denn »Der Grieche« war nicht nur eines der ersten griechischen Restaurants in Deutschland – dieses lag auch in unmittelbarer Nähe des Bundesverfassungsgericht, so dass dort Generalbundesanwalt Siegfried Buback zu Mittag aß, die Grüne Petra Kelly einen griechischen Wein und Joschka Fischer ein Bierchen tranken, oder Gregor Gysi nach der Wende über die DDR plauderte. Dazu kamen “normale Gäste” wie die Zuhälter aus dem benachbarten Rotlicht-Milieu, Professoren der Karlsruher Universität und natürlich Hunderte deutscher Stammgäste, die ihre Familienfeste bei den gastfreundlichen Griechen feierten.
Von der Zeit, als griechisches Essen fast schon ein politisches Statement war, bis zur Kapitulation vor der Döner-Welle hat die Geschichte des “Griechen” neben todkomischen Alltagsgeschichten alle Elemente einer griechischen Tragödie, denn die Biografie der Familie Stefanidis enthält auch einige Irrwege und Krisen. Nachdem schließlich der achte Dönerladen im Umkreis von dreihundert Metern eröffnete, gaben Stefanidis Eltern das Restaurant im Mai 2009 auf. Schade – so bleiben dem Leser nur die farbigen Schilderung vergangener Zeiten – es sei denn, er war selbst einmal Gast…
Wer nun denkt, dass es sich in diesem Roman nur um launige Familien-Anekdoten und aufgebauschtes Thekenlatein dreht, der irrt, denn die Geschichte spiegelt die Entwicklung der Deutschen Geschichte und das Leben in unserer Gesellschaft aus der Sicht einer Einwandererfamilie. Und dabei gibt es außer (sau)komischen Stellen auch durchaus kritische Untertöne.
Gönnen Sie sich einen Blick in die Leseprobe – denn die macht Appetit auf mehr!
Alexandros Stefanidis, Jahrgang 1975, hat in Heidelberg, Thessaloniki und Toronto Germanistik, Politikwissenschaft und Soziologie studiert und anschließend die Deutsche Journalistenschule in München besucht. Er schrieb als freier Autor für “DIE ZEIT” und den Stern. Seit 2005 arbeitet er für das Magazin der Süddeutschen Zeitung. Dort betreut er als verantwortlicher Redakteur die Rubrik “Sagen Sie jetzt nichts”.