Der Wintergast
Petra Bohm | Posted 06/01/2011 | Belletristik | Keine Kommentare »Ein kleiner, stiller und nachdenklicher Roman der Schweizer Autorin Elisabeth Binder, der im Bücherherbst 2010 zu Unrecht etwas unbeachtet blieb. Aber – schon der Titel sagt: Jetzt ist die rechte Zeit, um dieses Versäumnis nachzuholen. Dringend – denn die 190 Seiten kurze Geschichte verzaubert einen ganzen trüben Wintertag…
Eigentlich geschieht nichts wirklich Aufregendes, aber die Autorin versteht es, in nahezu poetischer und doch schnörkelloser Sprache die Sehnsüchte ihrer Charaktere so zu schildern, dass sie zugleich die tiefen Sehnsüchte von uns allen widerspiegeln. Es geht um die Suche nach Ordnung – um die Hoffnung nach einem tieferen Sinn im Leben.
Andreas, ein ausgebrannter Maler, kommt in einem abgeschiedenen Schweizer Bergdorf an der Grenze zu Italien an, in dem er den Winter verbringen will, um über seine Kunst nachzudenken. Er ist zwar der einzige menschliche Gast im herrschaftlichen Palazzo der Opernsängerin Susanna, doch zur gleichen Zeit nimmt diese auch einen verletzten Adler auf, um ihn gesund zu pflegen. Dieser wird von der Pfarrerin Maddalena dort abgegeben und bald ist der junge Mann nicht nur von dem Vogel fasziniert, sondern ebenso von dieser schönen und geheimnisvollen Frau.
Die Schicksale der Dorfbewohner und auch die der dort lebenden Tiere werden behutsam enthüllt. Das Dorf bekommt wenig Sonne, denn zu hoch sind die mächtigen Berge, die es umgeben. Sie dominieren diesen stillen Ort und die Menschen, die dort leben.
Als in der Weihnachtsnacht ein Kind verschwindet und damit das ganze Dorf in Aufregung versetzt, wird Andreas ganz unverhofft eine Schlüsselrolle zuteil, die ihn unwiederbringlich Teil einer ihm zunächst gänzlich fremden Gemeinschaft werden lässt…
Der Klappentext meint: “In Elisabeth Binders Roman bricht sich das Licht des Lebens wie in einem Schneekristall” – Stimmt!
Elisabeth Binder ist 1951 in Bürglen (Thurgau/Schweiz) geboren. Nach einem Studium der Germanistik und Kunstgeschichte in Zürich war sie Lehrerin, dann Literaturkritikerin beim Feuilleton der »Neuen Zürcher Zeitung«. Seit 1994 ist sie freie Schriftstellerin. 2004 erschien bei Klett-Cotta ihr Roman »Sommergeschichte«. Elisabeth Binder erhielt die Medaille der Schweizer Schiller-Stiftung sowie den Förderpreis zum Mörikepreis.