Mit übernatürlichen Fähigkeiten ausgestattet, unter Drogen stehend oder irrsinnig – wirklich sicher kann man sich den ganzen Roman über nicht sein, in welchem Zustand seine Hauptdarstellerin Towner Whitney ist, und welche Wahrheit sich hinter dem vielschichtigen Geschehen verbirgt. Fest steht nur: Ihre Zwillingsschwester ist tot, ihre Großtante verschwunden und ihre geistige Verfassung gelinde gesagt instabil. Was in der Vergangenheit tatsächlich geschehen ist, muss sie erst noch herausfinden, ein Unterfangen, das einige schmerzliche Überraschungen für sie bereit hält…

Ich könnte mir vorstellen, dass dieser Roman recht unterschiedlich aufgenommen wird, da er mit Leseerwartungen spielt und sicher nicht jede bedient: Wie in einem Vexierbild treten verschiedene Sichtweisen nebeneinander, weiß der Leser oft nicht, ob er seiner Wahrnehmung trauen kann und wo sich Realität und Wahn vermischen.

Im Mittelpunkt steht Towner Whitney, die nach 15 Jahren Abwesenheit an ihren Heimatort Salem in Neu-England zurückkehrt, weil ihre Großtante und Ziehmutter Eva verschwunden ist. Von hier aus entwickelt die Erzählerin eine Geschichte zwischen Traum und Realität, in der sich persönliche Erinnerungen, historische Ereignisse, bereits Geschehenes und Visionen von der Zukunft mischen. An der Oberfläche geht es darum, das Verschwinden der Tante und später ihren Tod aufzuklären, darunter liegen Familiengeheimnisse, Magie und einige Rätsel um Towners traumatische Vergangenheit. Bis sich die Geschichte auflöst, lernt man eine Reihe skurriler Menschen und Gruppen kennen, unter anderem die Hexen von Salem, eine radikale Calvinistengruppe, Towners exzentrische Mutter und die blinde, geistig verwirrte Tante Emma.

Das Ganze ist flüssig und unterhaltsam geschrieben, wer mit dem Spiel mit mystischen Elementen und der sich bedächtig entfaltenden Handlung klar kommt, findet in der Mondschwimmerin einen schönen Schmöker für Skihütte oder Badestrand – den New-York-Times-Bestseller gibt es nun erstmals als Taschenbuch.