Hitchcock half
Petra Bohm | Posted 06/02/2011 | Autoren, Krimi | Keine Kommentare »Zehn Tage nach Erscheinen ihres ersten Romans erwarb er für 6800 Dollar die Filmrechte an “Zwei Fremde im Zug” und machte Patricia Highsmith damit weltberühmt. In diesen Tagen wäre die Grande Dame der Kriminalliteratur 90 Jahre alt geworden – Zeit für einen kleinen Rückblick. Was ist Euer Lieblings-Highsmith?
In den Achtziger Jahren kamen sie noch im schwarz-gelben Outfit daher – und ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich gierig mein Regal mit ihren Taschenbüchern aus dem Diogenes-Verlag gefüllt habe. 2002 startete dann eine auf dreißig Bände angelegte Werkausgabe ihrer Romane, ergänzt mit weltweit unveröffentlichten Stories aus dem Nachlass und Neuübersetzungen ihres zu Lebzeiten erschienen Werks.
In ihren psychologisch tiefgründigen Kriminalromanen und Kurzgeschichten stehen nicht die Aufklärung von Verbrechen(„Whodunit“), sondern die Umstände („Whydunit“), die einen unauffälligen Durchschnittsmenschen ins Verbrechen treiben, im Vordergrund, und gerade das macht sie so besonders. Highsmith wird häufig mit ihrer populärsten Romanfigur Tom Ripley, identifiziert – man munkelt, er muss eine Begegnung während ihrer ersten Europareise im Spätsommer 1951 gewesen sein. Etwas zu Unrecht wurden durch diese populäre Reihe andere, weniger actionhaltige Romane in den Hintergrund gedrängt, obwohl alle neben psychologischem Tiefgang eine gehörige Portion schwarzen Humor und makabere Szenarien zu bieten haben.
Ich finde, der Geburtstag ist ein schöner Anlass, zu den “Zwei Fremden im Zug” zuzusteigen… Könnt Ihr Euch noch an diese wirklich fiese Geschichte erinnern?
Der junge Architekt Guy Haines wird von einem aufdringlichen Mitreisenden im Zug angesprochen und lässt sich zu einem Abendessen in dessen Erste-Klasse-Abteil überreden. Alkohol macht ihn redselig und er erzählt, dass seine Frau sich gegen die Scheidung wehrt, die er sich so sehnlich wünscht. Im Gegenzug muss er sich endlose Geschichten über das schreckliche Leben seines Gegenübers anhören, der seiner Mutter verfallen ist und seinen Vater hasst. Dieser kommt schließlich auf die Idee, ihre beiden Probleme ließen sich doch wechselseitig lösen: Sie müssten nur den Störenfried im Leben des Anderen aus dem Weg räumen — ein perfekter Mord ohne nachweisbares Motiv und mit wasserdichtem Alibi. Haines winkt angewidert ab und läuft davon. Noch ahnt er nicht, dass er diesen Mann nicht zum letzten Mal gesehen hat…
Das großartige Drehbuch zu Hitchcocks Verfilmung schrieb übrigens niemand geringerer als Raymond Chandler.
Mit Hitchcocks Geld für die Filmrechte bereiste Patricia Highsmith 1949 Europa. Es war der Beginn des Abstandnehmens von ihrer Heimat, und der Weg führte sie nach Italien, Südengland, Frankreich, Deutschland und ins Tessin. Die homosexuelle Autorin lebte sehr zurückgezogen und hatte einige Liebesbeziehungen zu Frauen, die aber nie von Dauer waren. 1995 verstarb Highsmith in Locarno/Tessin.