Sehnsucht nach dem Glück der Kindheit
Petra Bohm | Posted 28/02/2011 | Belletristik | Keine Kommentare »Der neue Roman der preisgekrönten Autorin Zsuzsa Bánk (“Der Schwimmer”) ist sofort nach Erscheinen in die Bestenlisten eingestiegen… Bánk erzählt in poetischer Sprache eine Geschichte um Freundschaft, Familie aber auch Verlust und Liebe. Literatur die anrührt, ohne dabei ins Kitschige abzurutschen, aber auch Fragen stellt. Kann man sich von seiner Vergangenheit lösen?
Im Mittelpunkt steht die Geschichte einer Mädchenfreundschaft in den 60er Jahren. Die Erzählerin Therese, genannt Seri, schildert im ersten Teil einen Kleinmädchensommer in einer süddeutschen Kleinstadt mit ihrer Freundin Aja: „Wir fanden uns, wie sich Kinder finden, ohne zu zögern, ohne Umstände.“ Auch die Mädchen der Mütter freunden sich trotz aller Verschiedenheit miteinander an. Eines Tages steht der kleine Junge Karl am Gartentor und wird wie selbstverständlich von Aja und Seri aufgenommen. Noch sind Drei nicht einer zuviel, doch im weiteren Verlauf des Romans, wird das Thema Dreiecksbeziehung noch eine wichtige Rolle spielen.
Aber zunächst geht es um die Kindheit der Drei, um die “hellen Tage” voller Glück, aber auch um die auf verschiedene Art schwierigen Geschichten ihrer Familien. Da ist Aja, die aus einer ungarischen Artistenfamilie stammt und mit ihrer etwas exotischen Mutter Evi, die weder lesen noch schreiben kann, in einem kleinen Häuschen am Stadtrand wohnt. Ihr Vater, der als Trapezkünstler in einem Zirkus arbeitet, kommt nur einmal im Jahr zu Besuch. Auch Seri muss ohne Vater auskommen: er starb kurz nach ihrer Geburt an einem Herzinfarkt und Seris Mutter – bis dato nur Hausfrau – musste von einem zum anderen Tag die Firma übernehmen. Karl, der gemeinsame Freund der Mädchen, hat seinen jüngeren Bruder verloren, der an einem hellblauen Frühlingstag in ein fremdes Auto gestiegen und nie wieder gekommen ist. Seine Eltern leben zwar getrennt, sind aber vereint durch dieses traumatische Erlebnis.
Man nimmt Teil an den Jahren des Erwachsenwerdens bis Seri, Aja und Karl zum Studium nach Rom gehen. Die Stadt wird zum Wendepunkt ihrer Biographien und zur Zerreißprobe für eine Freundschaft zwischen Liebe und Verrat, Schuld und Vergebung.
Ich fand den Roman spannender und ergreifender als der Plot auf den ersten Blick scheinen mag – keineswegs nur ein Geplätscher um “helle Tage”. Sicherlich eher ein Frauenbuch – und ganz besonders auch ein “Mütter”-Buch – in jedem Falle aber lesenswert!
Am 20.03. um 12.00 Uhr auf 3sat liest Zsuzsa Bánk auf der Leipziger Buchmesse aus ihrem Roman. Livestream auch auf www.3sat.de
Zsuzsa Bánk, geboren 1965, arbeitete als Buchhändlerin und studierte anschließend in Mainz und Washington Publizistik, Politikwissenschaft und Literatur. Heute lebt sie als Autorin in Frankfurt am Main. Für ihren ersten Roman »Der Schwimmer« wurde sie mit dem aspekte-Literaturpreis, dem Deutschen Bücherpreis, dem Jürgen-Ponto-Preis, dem Mara-Cassens-Preis sowie dem Adelbert-von-Chamisso-Preis ausgezeichnet. Für die Erzählung ‘Unter Hunden’ erhielt sie den Bettina-von Arnim-Preis.