Pia Juul: Das Leben nach dem Happy End
Hannah Gi | Posted 26/03/2011 | Belletristik | Keine Kommentare »Ein Krimi, eine Geschichte über Lebenslügen, ein Liebesroman? So ganz lässt sich das auch nach der Lektüre nicht beantworten. Vordergründig geht es in Pia Juuls preisgekröntem Roman darum, wer den Ehemann der Schriftstellerin und Ich-Erzählerin Bess eines Morgens direkt vor der gemeinsamen Haustür erschossen hat…
Folgerichtig gibt es polizeiliche Ermittlungen, eine Tätersuche und schließlich auch eine Lösung. Das alles spielt sich aber eher an der Oberfläche ab und berührt weder Bess noch die Leserin wirklich tief.
Im Kern geht es um die Frage, ob Bess ́ Entscheidungen ihren Preis wert waren: Vor zehn Jahren hat sie wegen ihrer großen Liebe Halland ihren Mann verlassen und seitdem auch ihre Tochter nie wieder gesehen. Jetzt, wo Halland tot ist, stellt sich ihr die Frage, wie ihr Verhältnis zueinander wirklich war, was sie voneinander wussten und tatsächlich voneinander hielten, mit neuer Dringlichkeit. Dabei ist es für Bess nicht besonders hilfreich, dass plötzlich auch noch eine ominöse schwangere Nichte Hallands auftaucht, die für sich beansprucht, ihm mindestens ebenso nah gestanden zu haben wie seine Partnerin, und von Bess Zuspruch und Unterstützung erwartet.
Im Zuge der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit tauchen immer weitere Figuren auf, die oft mehr Rätsel aufgeben, als gelöst werden. Obwohl es sich nur um einen schmalen Band handelt, werden alle glaubwürdig gezeichnet, sogar einen Nebenstrang, in dem ein Nachbar verschwindet, bringt Pia Juul unter, ohne die Erzählung zu überfrachten.
Das Buch ist in jeder Hinsicht dicht geschrieben und fesselt von der ersten bis zur letzten Seite. Besonders schön fand ich die lakonische, distanzierte und manchmal unterkühlte Schreibweise – und stellenweise die Perspektive, die mit dem Älter werden kommt und uns auch heitere Passagen wie diese beschert: “Er musste viel, viel älter sein als sie. Wie viel, konnte ich nicht sagen. Meiner Einschätzung nach fuhren heutzutage Konfirmanden Auto und Teenager berieten mich in der Bank. Die Rentner erwiesen sich als meine Altersgenossen.“
Wer jetzt Lust bekommen hat, das Buch zu lesen: Schön aufmerksam sein, sonst geht es euch wie mir: Vor lauter rätseln über die vielen Ebenen ist mir die Krimi-Auflösung glatt durch die Lappen gegangen und ich habe noch mal angefangen…
Pia Juul wurde 1962 in Dänemark geboren und hatte bisher mehrere Gedichtbände und einen Roman veröffentlicht. „Das Leben nach dem Happy End“ hat bereits einen renommierten dänischen Literaturpreis gewonnen.