Alles nur ein Zufall?
Frauke Schlieckau | Posted 04/04/2011 | Belletristik, Krimi | Keine Kommentare »Gibt es Zufälle? Wer „Ein dunkler Moment“, den neuen Roman von Rabea Edel, liest, der wird sicherlich nach der Lektüre daran zweifeln. Denn in der Geschichte, die Rabea Edel mit klarem Tonfall erzählt, entwirrt die preisgekrönte Autorin nach und nach eine unheimliche , über den Verlauf von zwei Kontinenten reichende und sich über elf Jahre streckende Verbindung zwischen zwei schwerwiegenden Verbrechen…
Rabea Edels Roman behandelt zwei Mordfälle, die, obwohl einer in der USA, der andere in Rom stattfindet, und zwischen beiden Verbrechen mehr als ein Jahrzehnt vergeht, natürlich nicht unabhängig voneinander geschehen sind. Was vorgefallen ist? Im Jahr 1998 tötet ein Jugendlicher in einer amerikanischen Kleinstadt seine Eltern mit einem Baseballschläger und ruft danach die Polizei. Seine Schwester Amanda verbringt die Nacht in den Feldern vor der Stadt. Erst als alles vorbei ist, kommt sie nach Hause zurück. Elf Jahre später wird in einem Vorort von Rom eine junge Frau ermordet. Die Mörderin tauscht mit ihrem Opfer, dem sie zum Verwechseln ähnlich sieht, die Kleider und begibt sich auf eine mehrere Tage dauernde Odyssee durch die Stadt.
„Ein dunkler Moment“ ist im Vergleich zu vielen Büchern, die sich mit Mord und Totschlag beschäftigen, literarisch geschrieben. Ungewöhnlich ist auch das ästhetisch ansprechende Cover des Luchterhand Verlags, das dieser dem Roman mit auf den Weg gegeben hat – im Gegensatz zu den Covern der meisten Krimis und Thriller zeugt es von einer Zartheit, die Rabea Edel trotz des blutrünstigen Themas auch in ihren Texten zu bewahren weiß: Auf weißem Grund schreitet eine Frau im roten Kleid, den Kopf gesenkt, als wollte sie nicht erkannt werden, die Arme vor dem Körper verschränkt, als müsste sie sich vor etwas schützen.
Die Frau auf dem Cover könnte Amanda sein, die Heldin, die merkwürdigerweise mit beiden Mordfällen in Verbindung gebracht werden muss. Bis der Leser allerdings Aufklärung erhält, vergeht eine Zeit, zudem muss er höchst konzentriert bleiben, um die einzelnen Bilder, die Rabea Edel zeichnet, aneinander reihen zu können, ohne den Faden zu verlieren.
Welcher Kriminalfall Rabea Edel Inspiration zu dem Roman lieferte, ist nicht schwer zu erraten, stellt sie dem „Dunklen Moment“ doch ein Zitat von Amanda Knox voran, jener amerikanischen Studentin, die in Italien wegen Mordes angeklagt, monatelang die Klatschpresse beherrschte. Ihr Zitat ist ein treffendes Motto, denn es gilt über weite Strecken der 190 Seiten auch für Edels Roman:
„Die einzige Wahrheit ist, dass ich mir der Wahrheit nicht sicher bin. Ich war nicht dort.“