Der Ungeliebte
Frauke Schlieckau | Posted 08/05/2011 | Autoren, Belletristik | Keine Kommentare »Literaturkritiker und Filmemacher übersahen Michael, oder sie orientierten sich am Urteil Thomas Manns, der seinem Jüngsten gegenüber „Fremdheit, Kälte, ja Abneigung“ empfand. Mit „Familienbande“, Michaels Lebensgeschichte in Romanform, hat der Autor und Schauspieler Michael Degen ein längst überfälliges Versäumnis nachgeholt und dem Vergessenen ein Denkmal gesetzt.
Unscheinbar, ungewollt und stets unterwegs im Windschatten der exzentrischen Geschwister Klaus und Erika: Monika und Michael Mann waren die ungeliebten Kinder Thomas Manns. Bis heute sind sie die am wenigsten bekannten Mitglieder der schriftstellerischen Großfamilie geblieben, nicht zu letzt deswegen, weil die Tagebücher und Briefe aus dem Nachlass ihres berühmten Vaters aber auch der Mutter und den älteren Geschwistern ein wenig vorteilhaftes Bild von den beiden zeichnen und so unsere Wahrnehmung der zwei Außenseiter im Verbund der „genialen Köpfe“ der Familie Mann einseitig und wenig objektiv geprägt haben.
Während Monika sich rettete, in dem sie sich im Verlauf ihres Lebens von der Familie distanzierte, ging Michael Mann an Licht und Schatten der berühmten Familie zu Grunde. Er wütete und tobte, trank und frönte dem Exzess – doch vom übermächtigen Vater vermochte sich Michael, genannt Bibi, sein Leben lang nicht zu befreien. In „Familienbande“ erzählt Michael Degen die Geschichte des exzentrischen aber hochbegabten jüngsten Kindes Thomas Manns: seine Kindheit im lieblosen Elternhaus, im kalten Zauber des Großschriftstellers, die Jugendjahre im Schweizer Exil, wo er seiner zukünftigen Frau Gret Moser begegnet, seine internationale Karriere als Bratschist und als Professor für Germanistik in Berkeley wo er sich mit dem Werk des Vaters beschäftigt.
Mit nur siebenundfünfzig Jahren stirbt er an einer fatalen Mischung von Alkohol und Schlafmitteln. Als die greise Mutter Katia von seinem mutmaßlichen Freitod erfährt, urteilt sie kühl: «Er hat ja eigentlich nicht alt werden wollen.»
Dass man Michael Mann bis heute nur wenig kennt, liegt somit nicht zuletzt im Desinteresse der eigenen Familie begründet, dessen ungerechtes Urteil für alle Mann-Interessierten nach wie vor schwer wiegt. Dabei hat Michael, genau wie die anderen Sprösslinge der Familie, durchaus eine interessante Biografie vorzuweisen. Mit „Familienbande“, Michaels Lebensgeschichte in Romanform, hat der Autor und Schauspieler Michael Degen, ein längst überfälliges Versäumnis nachgeholt und dem Vergessenen ein Denkmal gesetzt. Pflichtlektüre für alle Fans und Kritiker der Familie Mann!