Donald Pace ist fies!

Hannah Gi | Posted 17/05/2011 | Belletristik | Keine Kommentare »

Mehr verrate ich nicht, nur so viel: Dieses Buch ist toll! Neben der guten Story hat es mir vor allem der trockene, oft rabenschwarze Humor angetan, nebenher entwirft Gerard Woodword ein so präzises Psychogramm seiner Hauptdarsteller, dass man irgendwann meint, sie persönlich zu kennen – mögen muss man sie ja nicht unbedingt…

Donald Pace ist fies – und zwar auf eine egozentrische, hinterhältige Art, die dem Leser erst im Lauf der Geschichte aufgeht, und wegen der man sich für ihn – viel früher als seine in dieser Hinsicht eher langmütige Ehefrau – irgendein gemeines, von Rache getragenes (Roman)ende wünscht. Dem wird nicht ganz entsprochen, aber immerhin…

Doch von Anfang an: Im London des zweiten Weltkriegs schlägt sich Tory Pace als Fabrikarbeiterin durch. Ihre Kinder sind aufs Land evakuiert, der Mann im Krieg. Ihre Mutter ist nach London gekommen, um sie zu unterstützen, aber keine wirkliche Hilfe, eher im Gegenteil. Die Geschichte läppert zunächst ein wenig mit der Beschreibung des Alltagslebens der beiden Frauen in Kriegszeiten dahin, nimmt aber zügig Fahrt auf, als Torys Mann Donald in Kriegsgefangenschaft gerät und schließlich sein erster Brief eintrifft. Den lässt sich Tory von ihrer Mutter vorlesen, weil sie selber zu aufgeregt ist. Leider endet er so: „Es fehlt mir hier an nichts, außer dass ich dir nicht den Schlüpfer runterziehen und es dir richtig besorgen kann. Könntest du mir stattdessen einen schmutzigen Brief zurückschreiben? Ich meine, so richtig unanständig, mit den schmutzigsten Wörtern und Handlungen, die du dir vorstellen kannst. Ich brauche es so dringend. Grüße an deine Ma.“ Beide Damen sind nicht begeistert, und Tory denkt überhaupt nicht daran, dem Wunsch ihres Mannes zu entsprechen, zumal ihr bisheriges Eheleben keine Inspiration für das gewünschte Genre hergibt. Sie bleibt hart, obwohl Donald sie immer weiter bekniet und bedrängt und ihr seinerseits schlüpfrige Briefe schreibt, die er mit „Zeichnungen, die Tory und Donald (wie sie vermutete) nackt und mit grotesk vergrößerten Geschlechtsteilen darstellten“ illustriert. Erst als er ihr zu verstehen gibt, dass sein „Überleben als Mann“ davon abhinge, weil er ein „Gegengift zum Grauen“ der Kriegsgefangenschaft brauche, lenkt Tory ein.

Nach einigen Fehlversuchen – ihr Mann findet ihre Entwürfe „nicht gut genug“ gelingt ihr der Durchbruch, als sie eine Affäre beginnt. Zu ihrem Glück redet ihr Liebhaber während des Beischlafs recht viel, und Tory erwirbt sich ein Vokabular, das Donald geradezu begeistert. Allerdings wird sie auch von ihrem Liebhaber schwanger, ein Missgeschick, dass sie nur durch einige waghalsige Schachzüge bemänteln kann (dennoch bleibt Donald stets misstrauisch und abweisend gegenüber dem jüngsten Mitglied der Familie).

Als Donald aus der Kriegsgefangenschaft heimkehrt, geht es mit der Ehe und der Familie bergab. Er nimmt Tory die Schreibmaschine fort – sie hatte ihre Lust am Schreiben entdeckt und träumte von einem „richtigen“ Roman – verbarrikadiert sich im Wohnzimmer, weigert sich, irgendeine Arbeit anzunehmen – er ist schließlich kriegsversehrt – und dreht eines Tages komplett durch. Nachdem ihm in der Psychiatrie eine Lobotomie droht, holt ihn Tory aber wieder heim; ein Fehler, wie sich zeigen wird…

Lesen!

Gerard Woodward, geboren 1961 in London, hat bereits mehrere preisgekrönte Lyrikbände veröffentlicht sowie vier Romane, die für die bedeutendsten Literaturpreise Englands nominiert waren (u.a. Shortlist für den Man Booker Prize). Mit „Ausgehungert“ erscheint nun zum ersten Mal eines seiner Werke auf deutsch.

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Titel:
Ausgehungert: Roman

ISBN-13:
9783813503951

Autor:
Gerard Woodward

Verlag:
Albrecht Knaus Verlag

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