Hochsommer in Paris
Hannah Gi | Posted 20/06/2011 | Belletristik | 2 Kommentare »Dies ist ein Liebhaberstück. Es geht tatsächlich nur um dies: Die Liebe, die Wahl der „richtigen“ Lebensgefährten und die im Prinzip unendlichen Alternativen zum jetzigen privaten (Un-)Glück. Anna und Stan oder Anna und Yves? Louise und Romaine oder Louise und Thomas? Das vertraute etablierte gutbürgerliche Dasein mit großem Haus und idyllischem Familienleben oder ein abenteuerlicheres, weil neues Leben? Die Irrungen und Wirrungen, die damit verbunden sind, werden mit großer Leichtigkeit und Ironie erzählt…
Hochsommer in Paris. Anna, Psychologin und mit dem Augenarzt Stan verheiratet, verliebt sich in den Schriftsteller Yves, während ihr Psychiater Thomas der Liebhaber von Louise wird, die damit ihre Ehe mit dem Sprachforscher Romaine aufs Spiel setzt – wir bewegen uns in besseren akademischen Kreisen und sehen zu, wie die Protagonisten aufeinander zugehen, sich heftig verlieben, philosophische Gespräche führen und schließlich einmal als Ehe- einmal als Liebespaar scheitern.
Im Kern behauptet Le Tellier mit seinen Konstruktionen Beliebigkeit: Jede Entscheidung wäre im Prinzip gleich richtig oder falsch, am Ende stehen (neue) Paare, Familie, Kinder, Familienalltag. Aber bis dahin ist es ein Stück Weg, und den Protagonisten ist keineswegs bewusst, dass sie ihr altes Leben auf neue Partner projizieren und ihre inneren Kämpfe eigentlich ganz überflüssig sind – wären da eben nicht die Liebe und die Leidenschaft. Und die treiben zum Teil komische Blüten, etwa wenn Anna sich wünscht, manchmal nur als Frau, als Objekt (wahr) genommen zu werden: „Früher hatte sie mal einen Liebhaber ´ein ziemlicher Idiot` wie sie zugibt – der, als sie nackt vor ihm stand, gesagt hatte ´Frauen sind etwas Schönes, und dieser Satz war ihr wie die allerschönste Liebeserklärung erschienen. Yves hingegen findet das total banal, naiv, die poetische Verve eines Lastwagenfahrers, eines Romantikers im Unterhemd. Sie erwidert: ´ist mir egal, ich mag das. Das wirkt befreiend auf mich.`“
Überhaupt schreibt Le Tellier so leicht und lebendig, dass es eine Freude ist, vor allem die ironischeren Passagen haben es mir angetan. „Auf dem Platz vor der Kirche hält Yves seiner älteren Schwester die Seite mit den Todes- und Geburtsanzeigen aus Le Monde unter die Nase. (…) ´Was soll das, Lise, dieses schwachsinnige Vigny-Zitat?` “In der Stunde, in der sich alles verdunkelt, werden wir von ihnen sprechen“ – ´Das ist ein Vers aus den Destinées, antwortete Lise schroff. Wäre dir etwas Humoristisches von Desproges oder Pierre Dac lieber gewesen?` Ýves zuckt mit den Schultern. Er fuchtelt mit der Zeitung. – ´Und dieses „außergewöhnliche Paar“, wo nimmst du das her? Meinst du damit unsere Eltern? (…) Sie hat ihn nicht geliebt, sie hielt ihn für einen Vollidioten, das hat sie ihm gesagt, und wir waren dabei, sie ist ihm sein ganzes beschissenes Leben lang auf die Nüsse gegangen, und als sie gestorben ist, hat er die ganze Zeit nur um sie geweint.`“
Fazit: ”Kein Wort mehr über Liebe” ist das richtige Buch für ein Proseccofrühstück im Park, am besten im Hochsommer zu lesen.
Hervé Le Tellier wurde 1957 in Paris geboren. Er veröffentlichte viele sehr originelle Bücher, Romane, Erzählungen, Gedichte und Kolumnen. Seit 1992 ist er Mitglied der Autorengruppe OuLiPo (Ouvroir de Littérature Potentielle), die von François Le Lionnais und Raymond Queneau gegründet wurde und der Autoren wie Georges Perec, Italo Calvino oder auch Oskar Pastior angehörten. Kein Wort mehr über Liebe ist das erste Buch von Hervé Le Tellier in deutscher Übersetzung.
Einen Kommentar zu verfassen über ein Buch welches man noch nicht gelesen hat, ist irgendwie fast unmöglich. Weil dieser sich ja nur über einen kleinen Teil der Informationen erstrecken kann.
Ich selber kann nur sagen, dass mich dieses Buch inhaltlich interessiert und auch scheinbar mit viel Liebe die einzelnen Charaktere zum Leben erweckt werden. Weiters habe ich das Gefühl, dass man sich in einigen Situationen bzw. Personen wiederfinden wird. Da das Leben nun mal aus vielen Irrungen und Wirrungen besteht, aber man lernt auch, dass im Leben nichts ohne Sinn passiert und in der Liebe sowieso nicht
))
Außerdem bin ich der Meinung dass nur Franzosen so schön über alles was mit Liebe und Beziehungen zu tun hat … schreiben kann. Das Flair und die Gedanken sind einfach leichter und irgendwie natürlicher.
Wie gesagt, dieser Kommentar bezieht sich aus Inhaltsangaben, Kapitelauszüge und einem Gefühl für die Thematik.
Gerne werde ich dieses Buch lesen.
Vielen Dank für eure ausführlichen Kommentare! Eigentlich hättet ihr alle verdient zu gewinnen, aber leider haben wir nur 3 Bücher zum verlosen…”Kein Wort mehr über Liebe” haben gewonnen:
Karin Prinz, Ines Hohbein und Lydia Bianka Eger. Bitte mailt eure Adresse an pb@lettra.tv, die Bücher werden dann direkt vom Deutschen Taschenbuch Verlag versendet. Viel Spaß beim Lesen!