Nicht tun, sondern lassen!

Petra Bohm | Posted 08/10/2011 | Philosophie und Religion, Sachbuch | Keine Kommentare »

Vorab: Svenja Flaßpöhlers Buch ist keiner der unzähligen Ratgeber zur Lebensoptimierung. Im Gegenteil: hier wird philosophiert und analysiert, es gibt haufenweise Denkanstösse aber keine “Bedienungsanleitung” und es gibt ein Plädoyer für “zweckfreien Genuss”…

Uff, am besten, ihr werft mal einen Blick in die Leseprobe – denn mit Svenja Flaßpöhler ist eine Fachfrau am Werk: die Autorin ist promovierte Philosophin und das merkt man ihrem Werk auch an. Da werden munter philosophische Denkweisen von Platon und Sokrates über Nietzsche, Max Weber, Marx und Engels zitiert und ich fühlte mich am Anfang fast ein wenig überrumpelt von all dem Wissen, das sich da in jedem Nebensatz so vermeintlich nebensächlich präsentiert. Aaaber: schon nach wenigen Seiten hat man sich eingelesen und dann jagt ein Aha-Effekt den nächsten.

Denn dieses Buch hat Svenja Flaßpöhler für UNS geschrieben, die, die jetzt gerade Buchrezensionen im Internet lesen, dazwischen vielleicht noch 3 dienstliche emails beantworten und einen letzten Blick auf die Powerpoint-Präsentation oder die Excel-Tabelle für Montag werfen. Für Menschen, für die Arbeit nicht nur Mühsal ist. Wir tun unsere Arbeit gern, verstehen uns gar als Genussarbeiter. Das Genießen im engeren Sinn hingegen, der Müßiggang, gelingt uns immer seltener und wird regelrecht zur Anstrengung.

Aber jetzt lasse ich einfach mal die Autorin sprechen:

Für uns Genussarbeiter ist der Genuss Arbeit und die Arbeit umgekehrt Genuss. In unserer Arbeit gehen wir auf wie eine Knospe im Frühling. Jede neue Herausforderung lässt uns wachsen, (…) Als Genussarbeiter und Genussarbeiterinnen lieben wir unsere Arbeit, wir brauchen die Anerkennung, die wir durch sie erfahren oder doch zumindest zu erfahren hoffen…”

“Während am Schreibtisch jedes Gefühl für die Zeit verloren geht und Überstunden kaum als solche empfunden werden, tickt die Uhr, sobald es still wird und nichts mehr zu tun ist, unüberhörbar laut. Unverplante Zeit, gar Langeweile ist für ihn kaum auszuhalten, er muss sich regelrecht anstrengen, um nicht sofort in zwangsneurotische Betriebsamkeit zu verfallen (E-Mails beantworten, Joggen und Aufräumen etwa sind beliebte Ersatzhandlungen)…”

Wenn Arbeit heutzutage aber nichtmehr das Gegenteil des Genusses ist, passe sich sogar das Genießen dem Leistungsgedanken inzwischen (heimlich oder unheimlich) an:

…”Der Wellness-Genuss ist schuldfrei, weil er sich nicht über gesellschaftliche Leistungsanforderungen erhebt, sondern den Körper gerade umgekehrt leistungsstark macht, ja im Grunde sogar selbst Arbeit ist. Es wird geschwitzt und gepeelt, trainiert und gefastet, meditiert und der Darm durchgespült, um den Körper fit zu machen …”

Ihr merkt, schon: ich komme aus dem Zitieren gar nicht mehr heraus. Und ja: diese Rezension habe ich am Wochenende geschrieben. Aber warum tun wir uns das eigentlich alles an? Dem versucht dieses schlaue Büchlein auf rund 190 Seiten auf den Grund gehen. Sicherlich keine Lektüre für U-Bahn oder Straßencafé – man braucht schon Ruhe und Konzentration – aber eine unbedingte Empfehlung für einen “gechillten”(!) Wellnessnachmittag oder eine Auszeit in der Badewanne.

Hier geht’s zur Leseprobe

Svenja Flaßpöhler, 1975 geboren, ist promovierte Philosophin und arbeitet als freie Autorin für das Magazin »Psychologie Heute«, das »Deutschlandradio«, den »Deutschlandfunk« und die Wochenzeitung »Freitag«.

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Titel:
Wir Genussarbeiter: Über Freiheit und Zwang in der Leistungsgesellschaft

ISBN-13:
9783421044624

Autor:
Svenja Flaßpöhler

Verlag:
Deutsche Verlags-Anstalt

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