De Vere oder nicht de Vere?

Petra Bohm | Posted 19/11/2011 | Autoren, Literatur im Kino | Keine Kommentare »

…das ist hier die Frage! Schon seit dem 19ten Jahrhundert bestehen Zweifel an Shakespeares Identität – Roland Emmerichs Kinofilm “Anonymus” heizt das Thema jetzt neu an. Mehr zu dem Thema liefert diese wirklich tolle Romanbiografie…

Ist der weltberühmte Name des englischen Dramatikers nur ein Pseudonym? Wer schrieb in Wirklichkeit “Romeo und Julia”, “Macbeth” und den “Sommernachtstraum”? Seit über 200 Jahren hegen Literaturexperten Zweifel und hatten in dieser Zeit fast 50 vermeintliche Ghostwriter im Visier. Neben Sir Francis Bacon und Christopher Marlowe gehörte auch der Earl of Oxford Edward de Vere schon länger zu den Hauptverdächtigen.

Kurt Kreiler hat den “Fall Shakespeare” nun neu aufgerollt. Seine erstaunlichen, aber wissenschaftlich fundierten Thesen: Der Dichter William Shakespeare hat nichts zu tun mit dem Schauspieler und Geldverleiher William Shakspere aus Stratford-upon-Avon. Hinter dem literarischen Pseudonym Shake-speare verbirgt sich der gebildete Aristokrat Edward de Vere, Earl of Oxford, der am Hofe von Queen Elizabeth I. ein- und ausging. Die Dramen des »Speerschwingers« Shake-speare wurden dementsprechend nicht für das Globe Theatre, sondern für die englische Hofbühne geschrieben. Der Autor Ben Jonson gab Shakespeares Werke heraus und sorgte bewusst dafür, dass dem Strohmann – William Shakspere – eine Büste gesetzt wurde.

Ein wichtiger Ansatz ist für Kreiler das Testament des Theaterunternehmers von 1616. Sein herrschaftliches Anwesen samt “Scheunen, Ställen, Obstgärten, Ländereien, Wohnhäusern” sowie einträgliches Pachtland – alles ist akkurat aufgeführt. “Tafelgeschirr und Haushaltsgegenstände” wurden der älteren Tochter Susanna und deren Erben zugesprochen, seiner Ehefrau vermachte Shakespeare das “zweitbeste Bett” im Haus, die jüngere Tochter Judith wird nur knapp bedacht. Für alte Freunde in London gibt es Geld zum Kauf von Erinnerungsringen. Aber von Büchern, Manuskripten oder gar Kunstwerken ist keine Rede.
Auch gibt es zwar Aufzeichnungen über die Londoner Theaterunternehmungen des wohlhabenden Mannes aus dem Städtchen Stratford-upon-Avon, aber keine Handschrift beweist eindeutig die Urheberschaft an den ihm zugeschriebenen Werken. Der Sohn eines eher glücklosen Aufsteigers aus bäuerlichen Verhältnissen besuchte eine kostenlose Lateinschule in seinem Städtchen in der typischerweise für diese Zeit außer Latein wenig Allgemeinbildung vermittelt wurde. Über eine Berufsausbildung oder gar ein Studium ist nichts bekannt. Wie kam also der später durchaus erfolgreiche Theatergeschäftsmann zu der umfassenden Bildung in Literatur, Naturwissenschaften, höfischen Manieren und Kunstverstand, die sich in all seinen Werken spiegeln? Gab es überhaupt einen “Dichter” William Shakespeare – Oder war der Dichter ein anderer?

Schon länger lag nahe, nach einem Aristokraten zu suchen, der all diese Bildungsvoraussetzungen mitbrachte. Denn das Leben bei Hofe hatte seine eigenen Spielregeln, und Stücke für ein ordinäres Volkstheater zu schreiben war in Shakespeares Zeiten ein absolutes “No Go”. So plädierte bereits 1920 der Shakespeare-Forscher J. Thomas Looney für den Earl of Oxford als den wahren Autor, und begründete so die Gruppe der “Oxfordianer”, gegen die in hitzigen Diskussion die “Stratfordianer” ihren Shakespeare verteidigten.

Auf knapp 600 Seiten erzählt Kreiler nun spannend aber auch nachdenklich die Geschichte von Edward de Vere, Earl of Oxford und fügt bekannte sowie überraschend neue Argumente für dessen literarisches Doppelleben als “William Shakespeare” zu einem Puzzle zusammen.

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Titel:
Der Mann, der Shakespeare erfand: Edward de Vere, Earl of Oxford (insel taschenbuch)

ISBN-13:
9783458357155

Autor:
Kurt Kreiler

Verlag:
Insel Verlag

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