Aus der Dunkelkammer des Bösen
admin | Posted 21/02/2012 | Krimi, Sachbuch | Keine Kommentare »Eines kann wohl festgehalten werden: der Mensch ist fasziniert von dem Bösen, vom Ekligen, vom Abnormen. Das gilt auch in der Literatur – immer wieder versuchen aktuelle Psychothriller-Autoren, sich mit ihren literarisch entworfenen Serienkillern an Blutrünstigkeit und Grausamkeit zu überbieten – Cody McFadyen lässt grüßen. Das Prinzip scheint zu funktionieren, wirft man mal einen Blick auf die Bestsellerlisten. Dabei gilt aber immer noch die alte Weisheit, die Wallander-Autor Henning Mankell beharrlich von sich gibt: “Die Realität übertrifft die Fiktion. Immer.”
Und so kommt es, dass in den vergangenen Jahren eine ganz neue Sparte in den Sachbuch-Charts auftaucht: “True Crime” nennt sich das Ganze, und egal ob Rechtsanwälte, ehemalige Profiler oder der Herr Wachtmeister vom Polizeirevier nebenan, viele plaudern aus dem bunten Nähkästchen ihrer jahrelangen Erfahrung mit Mördern, Kannibalen oder sonstigen Unmenschen.
Einer, der sich ganz nach vorne in die Riege der schriftstellerischen Tatsachenberichterstatter geschrieben hat, ist Mark Benecke – laut Verlagsangabe der “bekannteste Kriminalbiologe der Welt”. Seine hauptberufliche Arbeit ist ein bisschen das, was die Übergötter in der TV-Serie “CSI:(…eine beliebige amerikanische Millionenstadt…)” praktizieren, nur natürlich viel professioneller.
Tatsächlich arbeitet Herr Benecke seit einigen Jahren nebenberuflich auch als Vortragskünstler vor zahlendem Publikum – oftmals sind die Auftritte seiner Tourneen, die er im Rahmen einer neuen Buchveröffentlichung startet, ausverkauft. Von irgendwoher muss dieser Erfolg kommen, also werfen wir doch einen Blick auf das neue Werk des Hobby-Literaten.
Tatsächlich macht es Spaß, Mark Benecke zu lesen – soviel sei schon mal festgehalten. “Aus der Dunkelkammer des Bösen” beginnt mit der Schilderung der Untersuchung von Hitlers angeblichen Schädelresten in Russland. Umgangssprachlich nennt man es wohl “flotte Schreibe”, was der Kriminalbiologe zu seinen Untersuchungsmethoden zu sagen hat. Auch die Begleitumstände seines Antrittsbesuches in Moskau – der immerhin eine hohe Ehre ist – sind amüsant wiedergegeben.
Wer ein echter Mark Benecke-Fan ist, sollte bei “Aus der Dunkelkammer des Bösen” aber unbedingt eines wissen: dass der Name der Frau des Autors, Lydia Benecke, auf dem Cover prangt, ist kein Zufall. Diese ist psychologische Beraterin, und als solche taucht sie auch in dem Buch auf. Obwohl ihr Name wesentlich kleiner präsentiert wird, herrscht zwischen den Buchdeckeln verkehrte Welt. Tatsächlich übersteigt der Anteil von psychologischen Erklärungen der Co-Autorin bei Weitem den Anteil ihres Mannes. Das ist zwar nicht schlimm, denn es ist sehr interessant, wenn Lydia Benecke in die Psyche von Vergewaltigern, Serienmördern und Triebtätern eintaucht und dies mit aktuellen Fällen wie z.B. den Fall Josef Fritzl verbindet. Wer aber einen “echten Mark Benecke” erwartet, wird sicherlich überrascht sein.
Eigentlich ist “Aus der Dunkelkammer des Bösen” also kein klassisches Mark Benecke-Buch. Es ist anders und trotzdem gelungen. Eines wissen Sie nach der Lektüre mit Sicherheit: die wahren Verbrechen sind wirklich viel brutaler als es sich ein Geschichtenerzähler jemals ausdenken könnte. Ein Prost also auf Henning Mankell.
Text: Dominik Roth