Für hier oder zum Mitnehmen?
Karsten Kramm | Posted 23/11/2012 | Belletristik, Biografien, Reisen, Sachbuch | Keine Kommentare »Spätestens seit das St.Oberholz am Berliner Rosenthaler Platz als Szene-Treffpunkt der digitalen Boheme gilt, ist es in jedem Touristenführer zu finden. Genau davon handelt der biografisch angehauchte Roman von Inhaber Ansgar Oberholz erfreulicherweise jedoch NICHT…
Im Gegenteil, der studierte (und abgebrochene) Physiker, Mathematiker, Forensiker und Philosoph beschreibt in seinem Roman die Anfänge des St. Oberholz in den neunziger Nachwendejahren im maroden Ost-Berlin und beendet ihn, bevor die Laptops mit den Apfellogos und deren hippen Besitzer die Café-Kneipe berühmt gemacht haben.
Die Anfänge fielen dem umgelernten Neugastronom und Ich-Erzähler so schwer, wie es eben nur geht, wenn man völlig ahnungsfrei so ein Projekt in Angriff nimmt. Da sind Pannen reichlich vorprogrammiert und auch die skurrilen Typen aus dem Berlin Mitte der Neunziger Jahre bieten genügend Stoff für eine unterhaltsame Erzählung. Die ist – wie der Autor betont – zwar stark an seine Biografie angelehnt, Der Erzähler ist jedoch eine Kunstfigur, die Ereignisse und auch das Personal “verdichtet”.
Und so handelt es sich bei diesen rund 200 Seiten im Paperback nicht um die Selbstbeweihräucherung eines gelangweilten Mitte-Hipsters, sondern um ein unterhaltsames Stück Berliner (Kneipen)-Geschichte. Spannend für Einheimische, Berlin-Reisende aber auch für alle, die vielleicht gerade denken (“Dann mache ich eben ein Café auf…)
Die Geschichte des St. Oberholz reicht übrigens viel weiter zurück: In dem Eckhaus am Rosenthaler Platz trank schon Alfred Döblin (Berlin Alexanderplatz) sein Bier in Aschingers Bierquelle.
Ansgar Oberholz, geboren 1972 in Stolberg bei Aachen, lebt seit über 20 Jahren in Berlin. Das Studium der Physik, der Mathematik, der Informatik, der Philosophie und leider auch der Forensik brachte er nicht zu einem erfolgreichen Abschluss – zu groß die Ablenkungen jener Zeit. Die Nebentätigkeiten als Musiker, Softwareproduzent und Modelagenturbetreiber nahmen zu viel Raum ein. Heute gilt Oberholz in den Medien als Veteran der Entrepreneurszene und als Experte für Phänome des neuen Arbeitens. Niemand weiß aber, ob er es auch ist.