Roger Smith – Stiller Tod
admin | Posted 12/12/2012 | Krimi | Keine Kommentare »Skandinavien, dann die Regionen der deutschsprachigen Länder, gefolgt von den USA und Großbritannien: wirft man einen Blick auf die Krimi- und Thriller-Bestsellerlisten, scheint die Rangfolge der Herkunftsländer von Spannungsliteratur eine klare Sache zu sein. Dabei lohnt sich der Blick etwas weiter gen Süden – nach Südafrika, um genauer zu sein. Das Land macht sich nämlich gerade auf, neben Gold, Platin und Diamanten ein weiteres wertvolles Exportgut auf den Markt zu bringen: verdammt gute Kriminalliteratur.
Eigentlich tut der Autor Roger Smith viel dafür, seinen soeben in deutscher Übersetzung erschienen Roman “Stiller Tod” aus der Hand zu legen. Denn schon der Beginn ist eigentlich ungeheuerlich. Da ertrinkt ein lebensfrohes Kind an seinem 4. Geburtstag in den Fluten des Atlantik, während seine manisch-depressive Mutter in der Strandvilla eine Nummer mit dem fetten, ekligen Nachbarn schiebt und der Vater – nur wenige Meter von der Unglücksstelle entfernt – Joint rauchend in einem unsinnigen Gespräch verwickelt ist.
Damit nicht genug – ein Securitymitarbeiter, der die reichen Viertel Kapstadts vor den Menschen aus den Slums und deren Kriminellen beschützen soll, verfolgt das Unglück. Könnte sogar eingreifen. Und das Kind retten. Ein Held werden. Tut er aber nicht. Fasziniert betrachtet er die Tragödie – denn sein einziges Glück liegt darin, Macht auf Leute auszuüben. Und er hat schon eine ganz konkrete Vorstellung darüber, wie er die Familie seelisch zerstören wird.
Nein, es ist alles andere als Zuckerschlecken, was Roger Smith seinen Lesern zumutet. Allein die Schilderung des Todes des Mädchens, gesehen durch die Augen von Vernon Saul – jenem Security-Mitarbeiter – ist an Kälte und damit an realer Grausamkeit nicht zu unterbieten. Und trotzdem fällt es schwer, das Buch wegzulegen, denn es ist einfach zu gut, zu spannend geschrieben. Und raffiniert aufgebaut.
So viel man auf den ersten Seiten über den Zusammenbruch einer Familie nach dem Unglück erfährt – immer ganz dicht dran an der emotionalen Empfindsamkeit dieser beiden Menschen, die soeben ihr gemeinsames Kind verloren haben und damit alles, was sie zusammengehalten hat – so schnell dreht sich plötzlich die Spirale der Gewalt, die immer blutigere Ausmaße annimmt.
Denn wenn Südafrika wirklich für eines steht, dann ist es die Kriminalität, die ausufernde Kompromisslosigkeit rivalisierender Banden in den Armenvierteln, die das Tagesgespräch der Einwohner Kapstadts bilden. In einem Land, in dem jeden Tag etwa 50 Morde geschehen, ist das Leben eben nicht leicht. Und genau deshalb wirkt das, was südafrikanische Thriller-Autoren erzählen, immer ein bisschen realistischer als die Werke ihrer ausländischen Kollegen.
Seien wir doch mal ehrlich: alleine in Skandinavien scheint doch jeder zweite Mensch ein Serienkiller zu sein – legt man die große Masse an veröffentlichten Thrillern aus diesen Ländern einmal als Grundlage einer statistischen Untersuchung. In Südafrika passieren diese Dinge aber wirklich – tagtäglich.
Abschrecken lassen sollte man sich von dieser Lektüre dadurch aber nicht. Im Gegenteil, neben Roger Smith, dessen Werke nach und nach endlich in deutscher Übersetzung erscheinen, gibt es mit Mike Nicol, Deon Meyer und Peter Temple noch mehr Krimi- und Thrillerautoren zu entdecken, die von Südafrika erzählen. Auch, wenn es noch nicht für die vorderen Plätze der Bestsellerlisten reicht – aber das kann ja geändert werden. Wir wünschen viel Spaß bei eiskalten Morden unter der warmen Sonne.
Text: Dominik Roth