Lust auf lustig?
Petra Bohm | Posted 07/01/2013 | Belletristik | Keine Kommentare »Dieser Roman um die junge Albanerin Lula ist eine unterhaltsame Immigrationsgeschichte aus den USA mit bewährten Zutaten wie originellen Charakteren, Situationskomik und einer ziemlich überraschenden Wendung gegen Ende…
Seit dem 100jährigen, der aus dem Fenster stieg, verschwand und zum Premierenprogramm des Carl’s books Verlag gehörte, halte ich ein Auge auf die Neuerscheinungen des Verlages, dem ich zutraue, ein feines Gespür für talentierte ausländische Autoren zu besitzen.
Nun hat “Lügen auf Albanisch” zwar sicherlich nicht das Zeug zum Jahresbestseller, die intelligente und gut gemachte Geschichte ist jedoch wirklich flüssig zu lesende Unterhaltung, wenn auch Dialoge und Charaktere nicht ganz so “irrwitzig” und “schräg” sind, wie angekündigt.
Wie der Titel schon ahnen lässt, nimmt es die Protagonistin mit der Wahrheit nicht so genau, wobei sie wert darauf legt, dass ihre Lügerei erst mit ihrem USA-Reise-Antrag aus dem korrupten südosteuropäischen Heimatstaat begonnen hat. Lula findet über eine Kleinanzeige ein Jobangebot als Babysitterin eines 16jährigen (!!) in New Jersey und diesmal ist ihre (beeindruckende, jedoch frei erfundene) Lebensgeschichte so gut gelungen, dass ihr neuer Arbeitgeber ihr nicht nur rät, diese aufzuschreiben, sondern ihr gleich auch noch Zugang zu einem Arbeitsvisum verschaffen will.
Mister Stanley, der neue Arbeitgeber, wurde von seiner Frau verlassen und sucht nun als vielbeschäftigter allein erziehender Vater eine Kraft, die dafür sorg, dass sein Sohn Zeke isst, schläft und seine Hausaufgaben macht. So ist Lulas Job eigentlich einfach, sie bekocht sich und den Halbwüchsigen mit Fastfood und glotzt mit ihm Vampirserien im Fernsehen – die sympathische Mittzwanzigerin ist zufrieden. Sorgen dagegen macht ihre das spurlose Verschwinden ihrer Freundin und Landsfrau Dunia.
Dann kreuzen drei Landsmänner auf – darunter der attraktive Rotschopf Alvo –, um sie um “einen winzigen Gefallen” zu bitten. „Winziger Gefallen konnte bedeuten, nach Dubai und zurück zu fliegen, beide Strecken Holzklasse, mit Dutzenden Kondomen voller Heroin im Arsch.“ So schlimm ist es dann zwar doch nicht, aber Lula soll eine Zeitlang eine Pistole verstecken. Als sie sich außerdem mit dem attraktiven Alvo trifft, riskiert sie dadurch ihre Aufenthaltsbewilligung. Um asylbedürftig zu wirken, erfindet sie herrlich klischeehafte, abstruse Lügen über ihre Heimat, die Ereignisse überschlagen sich plötzlich und so ist Lula dann doch noch dankbar über den Revolver in ihrer Wäscheschublade…
So entsteht auf rund 300 Seiten eine ironisch-unterhaltsame Mischung aus Familientragödie, Krimi und einem kritischen Blick auf die USA der Bush-Cheney-Jahre aus der Sicht einer “Fremden”.
“Utterly charming. Savvy about the shady practices of both US immigration authorities and immigrants themselves… Entertaining, light yet not trivial, a joy to read.” (Lionel Shriver )
Francine Prose, geboren 1947, lebt in New York. Sie ist Redakteurin von Harper’s Magazine, schreibt regelmäßig für Zeitungen und Zeitschriften und unterrichtet creative writing u.a. an der John Hopkins Universität. Bisher veröffentlichte sie mehrere Romane und Kurzgeschichten. Francine Prose wurde mit verschiedenen Preisen und Stipendien ausgezeichnet.